Demokratie ohne Altersgrenze
Bei Entscheidungen zu ihren Lebensumständen müssen auch pflegebedürftige Menschen mitsprechen dürfen, findet Helmut Kneppe. Der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe fordert deshalb geeignete Beteiligungsstrukturen.
Es ist nicht unser Lieblingsthema:
Das Alter und seine möglichen Folgen. Doch wenn wir Glück haben, dürfen wir uns eines langen und zufriedenen Lebens erfreuen. Wir können tatkräftig daran mitwirken, wie zufrieden wir sind. Fragen, die ältere Menschen beschäftigen, drehen sich um die Gestaltung des eigenen Wohnumfelds sowie um gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe, auch im Falle einer Betreuungs- oder Pflegebedürftigkeit.
Forscher der Opta-Data Zukunfts-Stiftung sowie des Instituts für Zukunftspsychologie der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien haben über 1.000 Frauen und Männer der Jahrgänge 1959 bis 1969 in Deutschland zur Pflege der Zukunft befragt. Die sogenannte Babyboomer-Generation nimmt eine Art Schlüsselposition zwischen den Generationen ein. Die hohe Zahl der Menschen dieser Bevölkerungsgruppe im Vergleich zu nachfolgenden Generationen wird hauptsächlich in den Jahren 2025 bis 2035 für die Pflegebranche relevant sein. Mittels der Erhebung sollte ihre Pflegeerfahrung gemessen, das persönliche Pflegerisiko eingeschätzt sowie Einstellungen zur eigenen Pflege abgefragt werden. Auch Visionen zur Pflege in der Zukunft waren Thema.
Das Resultat: 79 Prozent sehen den Staat in der Verantwortung, die eigene Pflege zu organisieren und auch deren Kosten zu tragen. Ebenso viele planen die eigene Pflege gar nicht. Dabei betont Studienleiter Professor Thomas Druyen, dass das Thema Pflege und Pflegebedürftigkeit „ein ultimatives Zukunftsthema“ sei.
Beim Thema Pflege geht es um uns selbst, aber auch darum, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Als Gemeinwesen sollten wir die Grundrechte auf Würde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie das Recht auf Teilhabe in allen Lebensphasen und -lagen sichern. Hierzu gehört nicht nur, inklusive Strukturen zu schaffen, sondern auch Mitentscheidung in allen Lebenslagen zu ermöglichen. Um dies zu gewährleisten, fordert das KDA eine Demokratisierung des Alter(n)s.
Beim Thema Pflege geht es um uns selbst, aber auch darum, wie wir mit anderen umgehen.
Wir haben mit dem Strategiepapier „Wohnen 6.0 – mehr Demokratie in der (institutionellen) Langzeitpflege wagen“ nicht nur Vorschläge für eine neue Wohngeneration für Einrichtungen vorgelegt. Die Publikation gibt auch einen Impuls zum Neudenken des Alterns unserer Gesellschaft. Die Situation der Menschen in der Langzeitpflege und ihre Möglichkeit, auf die eigene Lebenssituation Einfluss nehmen zu können, ist herausfordernd. Dies gilt nicht nur für die pflegebedürftigen Menschen selbst, sondern auch für all diejenigen, die an der Betreuung und Pflege beteiligt sind. Dennoch sollte es Aufgabe der Gesellschaft sein, den verkrusteten Strukturen im Hinblick auf Beteiligung und Eigenverantwortung bei Pflegebedarf etwas entgegenzusetzen, damit demokratische und gesellschaftliche Teilhabe möglich ist.
Ein entscheidender Aspekt ist die Beteiligung aller. Dazu gehört der Mut, Vielfalt zuzulassen und Vorstellungen zu respektieren, selbst wenn im Falle einer Mehrheitsentscheidung dann ein anderer Weg gegangen wird. Auch in Pflegewohnsettings kann die jeweils gewünschte Balance von Freiheit und Sicherheit von allen gemeinsam demokratisch ausgehandelt werden. Deshalb brauchen wir Beteiligungsstrukturen in Einrichtungen, aber auch auf anderen Ebenen, wie etwa in Sorgeparlamenten von Gemeinden.
„Wir müssen die Vielfalt des Alters sehen, um den Bedürfnissen und Wünschen der älteren Menschen gerecht werden zu können. Gelingen kann das nur, wenn wir das als gemeinsame Aufgabe sehen: Eine, die uns alle angeht“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr des KDA, Ende vergangenen Jahres. Dazu braucht es eine gesamtgesellschaftliche Diskussion und Willensbildung, also eine Demokratisierung des Alter(n)s. Denn nur gemeinsam lässt sich ein gutes Altern gestalten.
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