Konzepte für den Klinikumbau
Corona-Pandemie, Fachkräftemangel und Inflation – bei der Beschreibung der Probleme der Krankenhäuser waren sich Experten aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden auf einem Forum der AOK Bayern einig. Sie plädierten für umfassende Strukturreformen. Von Steffen Habit
Es war der Vertreter
der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, der gleich eine deutliche Botschaft formulierte. Natürlich hätten die Krankenhäuser mit den Folgen der Corona-Pandemie und den massiv steigenden Energiekosten derzeit ganz andere Probleme. Dennoch: „Der Reformbedarf ist zur Sicherstellung guter Versorgungsqualität unstrittig – und die Krankenhäuser sind reformbereit bei einem verlässlichen Zielbild und finanzieller Absicherung der Transformation“, sagte Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, bei einer Veranstaltung der AOK Bayern zum Thema „Stationäre Versorgung im Aufbruch“.
Aufgaben nach dem Bedarf verteilen.
Wie groß der Handlungsdruck ist, zeigte der Vorsitzende der Geschäftsführung der München Klinik, Dr. Axel Fischer. Allein im Großraum München konkurrieren rund 70 Krankenhäuser um die Gunst der Patientinnen und Patienten.
Fischer berichtete von einem massiven Überangebot in einigen Versorgungsbereichen. Zugleich drohten Engpässe aufgrund des wachsenden Fachkräftemangels: „Es ist Geld in relevanten Versorgungsbereichen der Daseinsvorsorge im System vorhanden und wahrscheinlich auch genug Personal, wenn die Krankenhäuser und Versorgungsaufgaben in Deutschland dem Bedarf entsprechend richtig verteilt werden“, betonte Fischer.
Qualität als Kompass.
„Die Ampel-Koalition in Berlin muss endlich die Weichen für die Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen stellen“, forderte Frank Firsching, Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Bayern. Als Kompass für die Entwicklung neuer Strukturen sieht Firsching die Qualität. Der Verwaltungsratsvorsitzende verwies auf eine aktuelle repräsentative Umfrage der AOK Bayern. Danach ist für 97 Prozent der Befragten im Freistaat die Qualität der Leistung das wichtigste Kriterium bei der Wahl von Kliniken. Knapp dahinter steht an zweiter Stelle die Spezialisierung des Krankenhauses auf die jeweilige Erkrankung (92 Prozent). Bei einem planbaren Eingriff würden sich 94 Prozent für die Klinik entscheiden, die auf ihre Erkrankung spezialisiert ist, und dafür auch einen längeren Fahrweg in Kauf nehmen.
Im Großraum München konkurrieren rund 70 Krankenhäuser um die Gunst der Patienten.
Längere Fahrzeiten für mehr Behandlungsqualität – die Umfrage-Ergebnisse belegen, dass auch die Menschen in Bayern zu Veränderungen bereit sind. Für Schwerpunktbildung und mehr ambulante Behandlungen im Krankenhaus plädierte auch Professor Boris Augurzky vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Der Gesundheitsökonom ist Mitglied der Regierungskommission, die derzeit Pläne für einen Umbau der Krankenhauslandschaft entwickelt. Um Anreize für Veränderungen zu schaffen, sollte das Vergütungssystem angepasst werden, so Augurzky. Dazu gehören beispielsweise regionale Vorhaltebudgets für Kliniken, die vor Ort einen Sicherstellungsauftrag erfüllen.
Standards für die Digitalisierung.
Chancen für eine bessere Versorgung sieht die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Irmgard Stippler, vor allem beim Thema Digitalisierung: „Wir benötigen verpflichtende technische Standards, die ein nahtloses Ineinandergreifen der Arbeit aller Gesundheitspartner ermöglichen.“ Damit könnten zum Beispiel bei einer verstärkten Akzeptanz der elektronischen Patientenakte neue Formen der Zusammenarbeit entstehen, die die Versorgungspfade der Menschen rund um ihre Gesundheit in den Mittelpunkt stellen.
Innovative Ansätze für die Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen gibt es also genügend. Doch wie führt der Weg aus der Krise? Einig waren sich die Experten, dass die Politik klare Vorgaben liefern müsse. „Wir brauchen endlich eine Krankenhausstrukturreform, die diesen Namen auch verdient“, brachte Firsching die Forderung auf den Punkt.