Rückenwind fürs Pflegestudium
Seit zwei Jahren findet die Pflegeausbildung auch an Hochschulen statt. Doch die Nachfrage nach den Studienplätzen hält sich in Grenzen, beklagen Prof. Dr. Klaus Müller und Prof. Dr. Julia Lademann. Das begründen die Wissenschaftler mit den politisch verschuldeten schlechten Bedingungen.
Internationale Studien
über die Patientensicherheit in der Pflege zeigen, dass mit steigender Anzahl studierter Pflegefachpersonen weniger Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes und danach an Komplikationen versterben. Nicht zuletzt deshalb fordert auch der Deutsche Wissenschaftsrat einen Anteil von zehn bis 20 Prozent studierter Pflegefachleute in dieser Berufsgruppe.
In Deutschland leben immer mehr ältere und hochaltrige Menschen, die zum Teil an mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig leiden. Die Pflegesituationen sind komplex und immer mehr unterschiedliche und zum Teil auch widersprüchliche Faktoren müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus verändern sich familiäre Strukturen. Immer weniger Kinder stehen für die pflegerische Unterstützung ihrer Eltern zur Verfügung. Oft leben sie arbeitsbedingt an einem anderen Ort und können Sorgeaufgaben nicht oder nur begrenzt wahrnehmen. Pflegefachleute übernehmen deshalb immer mehr Aufgaben in der Organisation und Steuerung der pflegerischen Versorgung und in der konkreten Unterstützung.
Pflegestudium ist europaweit Standard.
Im Falle von gesundheitlichen Beschwerden oder Veränderungen muss häufig die Pflegefachperson entscheiden, ob beziehungsweise wann eine Ärztin oder ein Arzt hinzugerufen wird. Nicht nur im stationären Bereich, sondern gerade auch im ambulanten Sektor übernehmen Pflegefachleute verantwortungsvolle Aufgaben und müssen sich dazu mit Beteiligten anderer Berufsgruppen aus Medizin oder Physiotherapie austauschen. Dazu benötigen sie differenzierte fachliche und methodische Kompetenzen. Nur so können sie eine Versorgung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, planen und durchführen sowie auch Risiken korrekt einschätzen.
Wir brauchen Pflegefachpersonen mit wissenschaftlichem Sachverstand.
Mit dem neuen Pflegeberufegesetz hat Deutschland die Pflegeausbildung als Studium ermöglicht, so wie es in fast allen Ländern Europas bereits Standard ist. Fachliche und wissenschaftliche Kompetenzen werden dadurch erweitert, was wiederum der Versorgungsqualität zugutekommt. Bundesweit haben sich mehr als 50 Hochschulen auf den Weg gemacht und berufsqualifizierende Studiengänge eingerichtet, weitere sind im Aufbau. Die Pflegestudiengänge unterliegen den gleichen Anforderungen, wie die herkömmliche Berufsausbildung. Sie beinhalten mindestens 2.100 Stunden theoretischen Unterrichts sowie 2.300 Stunden praktische Ausbildung, die größtenteils in den Semesterferien abgeleistet wird. Pflegestudierende absolvieren allerdings mehr Theorie, da ihre Kompetenzziele weiter gesteckt sind und die wissenschaftliche Ausbildung im Bereich Forschungsmethodik hinzukommt. Das Pflegestudium dauert also länger als die Berufsausbildung.
Attraktivität des Pflegeberufs steigern.
Anders als Berufsfachschüler erhalten Pflegestudierende kein Entgelt, was sie benachteiligt und die Finanzierung des Lebensunterhalts infrage stellt. Durch Praktika in den Semesterferien fehlt ihnen die Möglichkeit in diesem Zeitraum zu jobben. Unter diesen politisch verschuldeten schlechten Bedingungen hält sich die Nachfrage nach Studienplätzen derzeit in Grenzen. Kaum eine Hochschule hat mehr als die Hälfte ihrer Studienplätze besetzt und die Abbruchquote ist hoch. Bis die geforderte Quote von akademisch ausgebildetem Personal erreicht ist, werden noch Jahrzehnte vergehen.
Pflegefachfrauen und -männer an Hochschulen auszubilden macht Sinn. Um aktuellen und zukünftigen Anforderungen in der Gesundheitsversorgung gerecht zu werden, brauchen wir Pflegefachpersonen mit wissenschaftlichem Sachverstand sowie analytischen und diagnostischen Kompetenzen. Diese sollen situationsgerecht kommunizieren und einen passenden Versorgungs- und Pflegeprozess planen, begleiten und auswerten sowie Patienten und ihre Angehörigen im Umgang mit deren Erkrankung schulen können. Vor dem Hintergrund unterschiedlichster Qualifikationsniveaus und Kompetenzen im Pflegesetting obliegt es Pflegefachpersonen, Personal und Abläufe zu koordinieren, anzuleiten und zu begleiten. Perspektivisch sollte das bedeuten, ihre Qualifizierung – wie international üblich – ausschließlich an Hochschulen durchzuführen. Die Politik sollte dafür die Weichen stellen und so die Professionalisierung der Pflege stärken. Damit kann nicht nur die Qualität der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Pflegebedarf, sondern auch die Attraktivität des Pflegeberufes gesteigert und somit Personalmangel entgegengewirkt werden.