Porträt
Kommentar

Auf ganzer Linie gescheitert

Die Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen galt ursprünglich als wirkungsvolles Instrument gegen Covid-19. Doch am Ende hat sie ihre Ziele komplett verfehlt, meint Kaja Klapsa.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht

im Gesundheitswesen ist gescheitert. Unter den Bedingungen der gefährlichen Delta-Variante im Dezember 2021 beschlossen, schien das Gesetz zunächst vernünftig. Das Corona-Virus sollte aus den Kliniken und Heimen ferngehalten, vulnerable Patienten und Bewohner sollten geschützt werden.
 
Doch schnell wurde klar, dass Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinanderliegen. So hat sich die Impfpflicht in erster Linie zum Bürokratiemonster entwickelt, das die Gesundheitsämter mit monatelangen Prüf- und Sanktionsverfahren von ihrer eigentlichen Arbeit abhält. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen: Am Ende greifen viele Ämter auf ihren Ermessensspielraum zurück und sprechen mit Blick auf die Versorgungssicherheit keine Betretungsverbote aus.

So führt die Impfpflicht schlussendlich kaum zu einer deutlichen Erhöhung der Impfquote und verfehlt damit klar ihr definiertes Ziel. Hinzu kommt, dass sich die pandemische Ausgangslage im Vergleich zum vergangenen Winter stark verändert hat. Die Omikron-Variante führt zu deutlich weniger Klinikeinweisungen, die Impfung schützt erkennbar wenig vor einer Weitergabe des Virus.

Anspruch und Wirklichkeit liegen meilenweit auseinander.

Es ist also nur folgerichtig, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht voraussichtlich Ende des Jahres auslaufen soll. Absurd ist allerdings, dass auf den letzten Metern eine Verschärfung des Gesetzes greift: Seit dem 1. Oktober müssen die Beschäftigten nicht nur zwei Impfungen, sondern gleich drei Impfungen nachweisen. Das bedeutet, dass der gesamte Kontroll- und Sanktionsprozess theoretisch wieder von vorn beginnen muss – obwohl die Rechtsgrundlage voraussichtlich sowieso drei Monate später ausläuft.
 
Eine Reihe von Bundesländern hat nun angekündigt, die neuen Kontrollpflichten nicht umzusetzen. Lediglich bei Neueinstellungen soll der Nachweis einer dritten Impfung geprüft werden. Das Abweichen von der Bundesgesetzgebung ist rechtlich heikel, inhaltlich aber nachvollziehbar – und eine Klatsche für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Dieser wäre gut beraten gewesen, die Impfpflicht im Zuge der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes auszusetzen. Doch offenbar fürchtete er einen politischen Gesichtsverlust, würde nach dem Scheitern der allgemeinen Impfpflicht auch noch die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorzeitig für gescheitert erklärt werden.

Kaja Klapsa ist Redakteurin für Gesundheitspolitik bei Welt und Welt am Sonntag.
Bildnachweis: Welt