Einwurf

Schräge Vögel in Arztkitteln

Liebenswerte Clowns lenken von der Realität ab, weiß Schauspielerin Rebecca Siemoneit-Barum, die den Zirkus seit ihrer Kindheit kennt. Sie plädiert dafür, die heilende Kraft des Humors therapeutisch zu nutzen.

Foto Rebecca Siemoneit-Barum

Mit Clowns verbinden die meisten

Menschen Zirkus und Kinder, Manegenstaub, weiße Maske, rote Nase und große Schuhe. Als Reflexion der Gesellschaft spiegeln sie das Kind in uns, mal poetisch, mal rabiat, aber immer als liebenswerte Ablenkung von der Realität. Eine ähnliche Funktion übernehmen Klinikclowns. Sie sind verwandt im Geiste der Anarchie, aber doch ganz eigen: Als Humor-Spezialisten schenken sie Menschen bunte Momente weit außerhalb der Manege, und das auf eine ganz besondere Art. Man trifft Klinikclowns deutschlandweit in Kinderkrankenhäusern, Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren, für behinderte und schwerkranke Menschen sowie auf Palliativstationen und in Hospizen. Und ganz anders als die Spaßmacher meiner Kindheit spielen Klinikclowns keine festen Nummern, sondern sind darauf spezialisiert, den Moment zu spüren und ihn mit der richtigen Mischung aus Empathie und Fantasie zu einem bunteren, leichteren, schöneren zu machen.  

Wenn schräge Vögel in Arztkitteln durch die Gänge stolpern und mit Bewohnern, Patienten, Pflegepersonal oder Ärzten herumalbern, verbreitet sich scheinbar im Handumdrehen eine gelöste, angstfreie Stimmung. Kinderjauchzen dringt aus Zimmern und Eltern lehnen sich entspannt zurück, weil plötzlich nicht mehr die Krankheit im Vordergrund steht. Die Lachdoktoren kommen durchschnittlich einmal pro Woche, mal auch nur im 14-tägigen Turnus, und es sind möglichst immer dieselben (von Urlauben und Krankheitsvertretungen abgesehen). So bauen sich wichtige persönliche Kontakte auf. In Kinderkliniken weiß das Pflegepersonal meist schon, dass die Termine für Nachuntersuchungen gern auf die Besuchstage der Klinikclowns gelegt werden, und wenn ein kleiner Patient gar so viel Angst vor der Spritze hat, dann locken die lustigen Gestalten ihn oder sie mit Seifenblasen, Musik oder verrückten Geschichten in eine ganz andere Welt, sodass vieles gar nicht mehr so schlimm ist.

Der Humor schafft Momente, in denen wir uns besonders lebendig fühlen.

Aber Klinikclowns sind nicht allein den Kindern vorbehalten, sondern haben auch im Leben der Erwachsenen und insbesondere im Alter ihren Stellenwert. Es ist der Clown, der im Alter die Erinnerungen an die Kindheit und glückliche Tage wachruft. Er gibt Verhalten und Lebenssituationen in einer anderen Sichtweise wieder und regt zum Lachen und Nachdenken an – auch bei Angehörigen und medizinischem Personal. Vor allem aber bringt der Clown einen direkten Zugang zu einer Ressource, deren Wirksamkeit auch die Wissenschaft mehr und mehr interessiert: zu den Heilungskräften des Humors.

Wer lacht, sieht für einen Moment die Welt aus einer anderen Perspektive, versetzt sich in die machtvolle Lage, die aktuelle Situation zu negieren. Und auch wenn dies die aktuelle Situation nicht ändert, gibt uns Humor mehr als nur das sprichwörtliche „Trotzdem“. Schmerzen werden positiv beeinflusst, denn der Körper schüttet beim Lachen Endorphine aus, reduziert das Stresshormon Kortisol und steigert die Durchblutung. Auch ein kleiner heiterer Moment hebt das Lebensgefühl, und die Selbstheilungskräfte werden gestärkt. Der Humor schafft Momente, in denen wir uns besonders lebendig und bei uns fühlen. Die sensiblen Klinikclowns sind darin Profis, auf kleinste Signale zu achten und mit ihnen zu spielen, mal laut, mal zart, oft unsinnig, komisch, oder naiv, aber immer im zutiefst respektvollen Umgang mit dem Gegenüber. Diese Humorarbeit wird als wertvoll und therapeutisch geschätzt.

Ich freue mich, den Klinikclowns in Deutschland als Schirmherrin des Dachverbandes zur Seite zu stehen. Der 2004 gegründete Dachverband Clowns in Medizin und Pflege vernetzt bundesweit gemeinnützige Vereine, die diese Clownsvisiten organisieren. Die Weiterbildung der Profis in Sachen Humor und wissenschaftliche Forschung dazu sind ebenfalls wichtige Themen. Der heilende Effekt des Humors wird über Spenden, Benefizaktionen und Kooperationen finanziert.

Weitere Informationen zum Dachverband Clowns

Rebecca Siemoneit-Barum ist Schirmherrin des Dach­verbands Clowns in Medizin und Pflege.
Bildnachweis: Steven Mahner/mahners.de