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Kommentar

Bewährungsprobe für Spahn

Der neue Gesundheitsminister gibt sich gern als Macher. Bei genauer Betrachtung seiner Agenda aber zeigt sich, so Gerhard Schröder: Neue Ideen sind eher Mangelware.

Ein Sofortprogramm

für die Pflege, schnellere Arzttermine, niedrigere Beiträge für die Versicherten: Jens Spahn, der neue Gesundheitsminister, drückt aufs Tempo. Drei Gesetzesvorhaben will er bis zur Sommerpause auf den Weg bringen. Die Botschaft ist eindeutig: Hier tritt einer an, der was bewegen will. Auch mit unkonventionellen Mitteln. Deshalb berief Spahn auch keinen verdienten Parteikollegen auf den Posten des Pflegebeauftragten, sondern mit Andreas Westerfellhaus, dem langjährigen Chef des Pflegerates, einen anerkannten Fachmann. Ein kluger Schachzug.
Spahn, der Macher, so sieht sich der Minister selbst gern. Und so inszeniert er sich auch in den ersten Amtswochen, lässt kaum eine Talkshow aus, um sich mit markigen Sprüchen zu profilieren. Doch ein genauerer Blick auf die Agenda sorgt für Ernüchterung. Neue Ideen sind Mangelware, die größten Probleme in der Gesundheitspolitik werden nicht angegangen.

Das meiste bleibt vage, vieles unverbindlich.

Beispiel Pflege: Spahn will die Betreuung in den Pflegeheimen verbessern und verspricht 8.000 zusätzliche Stellen. Das klingt gut. Aber wie das auf die Schnelle umgesetzt werden soll, bleibt völlig unklar. Woher soll das Geld kommen? Woher die Fachkräfte? Schon jetzt bleiben viele Stellen unbesetzt, weil es nicht genügend Pflegekräfte gibt. Ein Problem, das sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird, wenn nicht gegengesteuert wird. Und das heißt konkret: Die Pflegekräfte müssen für die harte Arbeit, die sie leisten, besser bezahlt werden. Das aber kostet Geld, und die Pflegekasse ist jetzt schon im Minus. Ohne höhere Pflegebeiträge wird das also kaum zu machen sein. Spahn dagegen will die Versicherten entlasten.
Beispiel Digitalisierung, ein Trauerfall der besonderen Art. Über eine Milliarde Euro hat die elektronische Gesundheitskarte bislang verschlungen, ohne dass ein Mehrwert für Patienten und Ärzte erkennbar wäre. Schlimmer noch: Das ganze Konzept, vor über 20 Jahren entworfen, ist technologisch inzwischen völlig überholt. Hier wäre ein völliger Neustart nötig.
Spahn dagegen will lieber weiter machen wie bisher. Von Aufbruch keine Spur. Auch im Koalitionsvertrag nicht. Da haben Union und SPD auf acht Seiten ihre gesundheitspolitischen Ziele formuliert. Das meiste bleibt vage, vieles unverbindlich. Weiter so heißt die Devise. Als Programm für die nächsten vier Jahre ist das etwas mager.

Gerhard Schröder ist Wirtschaftsredakteur beim Deutschlandfunk Kultur.
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