Beihilferecht

Pauschale für Staatsdiener

Hamburg will Beamten mit einer Reform des Beihilferechts die Wahl zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung erleichtern. Dafür gab es bei einer Fachtagung in Berlin grünes Licht von Verfassungsjuristen. Von Hans-Bernhard Henkel-Hoving

Wenn sich ehemalige

Bundesverfassungsrichter zu aktuellen juristischen Fragestellungen äußern, ist ihnen Aufmerksamkeit gewiss. Kein Wunder also, dass die Ausführungen von Prof. Dr. Udo Steiner bei einer Fachtagung des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges) der Universität Frankfurt im AOK-Bundesverband auf großes Interesse stießen. Im Mittelpunkt von Steiners Vortrag stand das „Hamburger Modell“, das ab August 2018 Beamten der Hansestadt mehr Wahlmöglichkeiten beim Krankenversicherungsschutz ermöglichen soll, vom Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) indes als verfassungswidrig eingestuft wird.

Gleichbehandlung angestrebt.

Im Kern geht es dabei um eine Reform des Bei­hilferechts: Die etwa 2.400 Hamburger Staatsdiener, die schon jetzt GKV-versichert sind und nolens volens auch den Arbeitgeberanteil tragen, können dann einen pauschalen Zuschuss zur Krankenversicherung erhalten. Gleiches gilt für frischgebackene Beamte: Sie können sich zwischen der klassischen Beihilfe mit Zuschüssen zu einzelnen Arztrechnungen und Gesundheitsausgaben oder einem monatlichen pauschalen Zuschuss von ihrem Arbeitgeber entscheiden. Den pauschalen Zuschuss gibt es entweder zur GKV oder zu einer PKV-Vollversicherung. De facto agiert damit die Hansestadt erstmals in puncto Krankenversicherung gegenüber ihren (Neu-)Beamten so wie gegenüber ihren Angestellten.

Beim Thema Beitragsschulden fordert der Präsident des Bundessozialgerichts, Prof. Dr. Rainer Schlegel, mehr Konsequenz von Gesetzgeber und Krankenkassen. Wenn die Politik eine allgemeine Krankenversicherungspflicht einführe, müsse sie auch für die Finanzierung Sorge tragen, machte Schlegel auf der ineges-Tagung deutlich. „Der Gesetzgeber ist hier auf halbem Weg stehen geblieben.“ Mittlerweile hätten sich in der GKV Beitragsschulden in Milliardenhöhe angehäuft, weil finanzschwache Versichertengruppen nicht zahlen könnten. Diese Last dürfe nicht den Beitragszahlern aufgebürdet werden. Vielmehr sollte der Bund als Schuldner einstehen.

 

Schlegel attestierte den Kassen zugleich „gedämpften Ehrgeiz“ beim Einfordern von Beitragsschulden, weil die Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds unabhängig von der tatsächlichen Beitragszahlung des einzelnen Mitglieds erfolgten. Nico Schumann von der BKK VBU wies demgegenüber auf die enormen Schwierigkeiten bei der Vollstreckung von Beitragsschulden hin und plädierte unter anderem für eine engere Kooperation zwischen Kassen und Steuerbehörden.

„Wir schreiben damit ein Stück So­zialgeschichte“, konstatierte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks auf der Fachtagung. Denn erstmals seit 30 Jahren hätten damit Beamte wieder eine echte Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV: Damals seien im Zuge der Einführung des Sozialgesetzbuches spezielle GKV-Tarife für Beamte abgeschafft worden – auf Drängen der FDP, gegen den Widerstand von Norbert Blüm, so die Sozialdemokratin.

Doch warum bürdet sich die Hansestadt Mehrkosten von jährlich 5,8 Millionen Euro auf, die mit dem pauschalen Zuschuss einhergehen? Zum einen ist sich Prüfer-Storcks sicher, dass sich die Pauschale langfristig im Vergleich zu Einzelzuschüssen rechnet. So falle der Verwaltungsaufwand in den Beihilfestellen bei der Rechnungsprüfung weg. Zudem seien die Ausgabensteigerungen in der PKV höher als in der GKV gewesen. Zum anderen wolle Hamburg für alle Berufsgruppen ein fairer und guter Arbeitgeber sein: Wer die Wahlfreiheit seiner Beschäftigten erhöhe, gewinne auch im Wett­bewerb um kluge Köpfe an Attraktivität.

Der pauschale Zuschuss sorgt für weniger Verwaltungsaufwand in den Beihilfestellen.

Keinen Hehl machte Prüfer-Storcks aus ihrer Enttäuschung darüber, dass bei den GroKo-Verhandlungen keine vergleichbaren Lösungen mit der Union zu erreichen gewesen seien. Doch sie sei sehr gespannt darauf, was der neue Bundes­finanzminister und ehemalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz „für Bundesbeamte tun wird.“

Beihilfe nicht in Stein gemeißelt.

Dass Scholz hier etwas unternehmen dürfte, legen die Expertisen von Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback von der Uni Hamburg („Das Grundgesetz schreibt die jetzige Form der Beihilfe nicht fest“) sowie von Ex-Verfassungsrichter Steiner nahe. Das auf Freiwilligkeit beruhende „Hamburger Modell“ greife weder grundrechtswidrig in die unternehmerische Freiheit der PKV ein, noch verletze ein pauschaler Zuschuss zur Krankenversicherung die Fürsorgepflicht des Landes Hamburg gegenüber seinen Beamten. Die Einschätzung von Steiner wiegt insofern schwer, als er klar gegen eine Abschaffung der PKV als Vollversicherung Stellung bezog: In „Lebensgefahr“ dürfe der Staat die private Krankenversicherung nicht bringen.

Hans-Bernhard Henkel-Hoving ist Chefredakteur der G+G.
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