Kein Honorar nach Zahnarzt-Pfusch
Ein Zahnarzt hat bei einer fehlerhaften implantologischen Leistung keinen Anspruch auf sein Honorar, wenn eine Nachbehandlung nur noch zu Notlösungen führen kann. Das entschied der Bundesgerichtshof und stärkte damit die Rechte von Patientinnen und Patienten. Von Anja Mertens
– III ZR 294/16 –
Bundesgerichtshof
Ein schönes Lächeln
kann teuer sein. Zumindest dann, wenn mit Zahnimplantaten nachgeholfen wird. Schnell sind dann pro Zahn einige Tausend Euro fällig. Ärgerlich wird es dann, wenn die Behandlung misslingt, der Zahnarzt aber dennoch eine Rechnung schickt. So geschehen im Fall einer Patientin, der dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vorlag.
Die Frau war vom 12. Januar bis 25. Februar 2010 in zahnärztlicher Behandlung. Sie unterschrieb am 1. Februar 2010 eine Aufstellung über die Gesamtkosten für die Gebisssanierung in Höhe von 68.551,63 Euro. Zwei Tage später setzte ihr der Zahnarzt im Ober- und Unterkiefer jeweils vier Implantate ein, versorgte mehrere Zähne mit Keramik-Inlays und erbrachte weitere zahnärztliche Leistungen.
Da die Patientin die Behandlung wegen andauernder gesundheitlicher Beschwerden abbrach, unterblieb die vorgesehene prothetische Versorgung der Implantate. Im Mai und Juni 2010 ließ sie die eingesetzten Implantate durch einen anderen Zahnarzt untersuchen. Dieser stellte unter anderem Fisteln im Kiefer, freiliegende Implantatdeckel und einen Knochenabbau an sämtlichen Implantaten fest. Seit 31. August 2010 behandelt sie ein anderer Zahnarzt. Die Implantate wurden zunächst im Kieferknochen belassen.
Honorarzahlung verweigert.
Für die Teilleistungen stellte ein Factoring-Unternehmen, an das der erstbehandelnde Zahnarzt seine Honorarforderungen abgetreten hatte, rund 34.300 Euro in Rechnung. Doch die Patientin weigerte sich zu zahlen. Daraufhin klagte das Unternehmen auf Zahlung des Honorars nebst Zinsen, Mahnkosten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Dagegen verteidigte sich die Patientin unter anderem damit, dass kein wirksamer Behandlungsvertrag geschlossen worden sei und dem Zahnarzt grobe Behandlungsfehler unterlaufen wären. Alle Implantate seien unbrauchbar, weil sie nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und schlecht positioniert worden seien. Ein Nachbehandler könne nicht mehr eine den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende prothetische Versorgung des Gebisses vornehmen. Bei den noch in Betracht kommenden Behandlungsalternativen bestehe nur noch die Wahl zwischen „Pest und Cholera“.
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Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, legte das Unternehmen Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) ein. Das OLG verurteilte die Patientin, 16.957 Euro zu zahlen. Gegen dieses zweitinstanzliche Urteil legte sie Revision beim BGH ein.
Behandlung fehlerhaft und nutzlos.
Die obersten Zivilrichter hoben das Berufungsurteil auf und wiesen den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurück.
Zwar sei das OLG zutreffend davon ausgegangen, dass ein wirksamer Behandlungsvertrag zwischen der Patientin und dem erstbehandelnden Zahnarzt zunächst bestanden habe. Der Arzt habe aber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten die Patientin zur Kündigung des Vertrages veranlasst. Denn es stehe fest, dass er sämtliche Implantate nicht tief genug eingesetzt habe. Dadurch lägen bis zu sieben Schraubenwindungen frei, die eine Angriffsfläche für Krankheitserreger böten mit der Folge, dass es zu einer Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau kommen könne. Die erbrachten implantologischen Leistungen seien für die Patientin nutzlos.
Eine fehlerhafte Leistung zu reparieren, muss für einen Patienten zumutbar sein, so die obersten Zivilrichter.
Der BGH folgte nicht der Auffassung des OLG, dass die weitere Verwendbarkeit „jedenfalls eine Option“ sei. Diese Auffassung sei rechtsfehlerhaft und verkenne, dass nicht jede technische Möglichkeit die Nutzlosigkeit entfallen lasse.
Vielmehr müsse die Weiterverwendung der fehlerhaften Leistung für den Patienten auch zumutbar sein. Der Sachverständige habe dargelegt, dass die dem Nachbehandler zur Verfügung stehenden Optionen nur als Wahl zwischen „Pest und Cholera“ anzusehen sei. Auf der Grundlage der implantologischen Vorarbeiten sei eine den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende zahnprothetische Versorgung des Gebisses nicht mehr möglich.
Mit Keramik-Inlays unnötig versorgt.
Die Patientin müsse auch nicht für die Versorgung mit Keramik-Inlays zahlen. Stattdessen stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu, der sie von der Vergütungspflicht befreit (Paragraf 280 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Sachverständige stütze nicht die Auffassung des OLG, dass die Versorgung mit Keramik-Inlays aus medizinischer Sicht nicht zu beanstanden sei.
Vielmehr habe er eine Indikation für die Inlays verneint. Die Röntgenbilder und Situationsmodelle hätten keine Anhaltspunkte für kariöse Zahnschmelzdefekte ergeben. Da die Keramik-Inlays medizinisch nicht indiziert gewesen seien, müsse von einem Behandlungsfehler und einer für die Patientin nutzlosen Leistung ausgegangen werden.
Darüber hinaus habe das OLG nicht den Vorwurf der Patientin geklärt, ihr seien Kostenpläne in betrügerischer Absicht untergeschoben worden. Dazu seien die Streitparteien nicht vernommen worden. Statt diesem Vorwurf nachzugehen habe das Gericht lediglich pauschal festgestellt, die Patientin habe „privatautonom, mündig und ohne jeden Zwang und Eile“ gesondert Abrechnungsfaktoren von 4,0 und höher sowie eine Laserbehandlung vereinbart. Diese Frage sei aber von zentraler Bedeutung für das Verfahren und müsse geklärt werden.
Kommentar: Der Bundesgerichtshof hat den Rechtstreit nicht an den mit dem Fall zuvor befassten Zivilsenat des OLG zurückverwiesen, sondern an einen anderen. Von dieser Möglichkeit macht der BGH selten Gebrauch und üblicherweise nur, wenn in besonders auffälliger Weise gegen höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen wird und zu erwarten ist, dass sich dies nach Zurückverweisung wiederholt.