Interview

„Vorgesetzte müssen achtsam sein“

Zeitdruck, Personalknappheit und hohe Arbeitsdichte belasten und erschöpfen Klinikmitarbeiter. Um sie vor Burnout zu schützen, hat Pflegedirektor Ludger Risse ein Konzept mitentwickelt, das die psychische Gesundheit der Beschäftigten stärkt.

Herr Risse, was war für Sie der Anlass, ein Programm zur Burnout-Prophylaxe zu entwickeln?

Ludger Risse: In allen Einrichtungen der Patientenversorgung besteht ein hohes Risikopotenzial für psychische Erkrankungen mit langen Ausfallzeiten aufgrund von Überlastung. Häufig liegt die Ursache in einer Mischung aus beruflichen und privaten Problemen. So betreuen immer mehr Fachkräfte zu Hause zusätzlich Kinder oder pflegen Angehörige. Sie benötigen besondere Unterstützung. Genau hier setzen wir mit unserem Konzept an. Dabei greifen wir auf vorhandene Ressourcen zurück, etwa den Sozialdienst oder das betriebliche Gesundheitsmanagement. Im Rahmen des Burn-In-Programms haben wir diese gebündelt und erweitert. Wir sorgen dafür, dass alle Mitarbeitenden die Angebote kennen und rasch nutzen können. Das Ziel ist, Belastungsfaktoren früh zu erkennen und schnell entgegenzuwirken.

Portrait Ludger Risse

Zur Person

Dipl. Pflegewirt Ludger Risse ist Pflegedirektor im St. Christophorus-Krankenhaus Werne, stellvertretender Vorsitzender im Bundesverband Pflegemanagement und Vorsitzender des Landespflegerates Nordrhein-Westfalen. Er hat an zwei Krankenhäusern das Präventionskonzept „Burn-In – Lebenswertes Arbeiten“ eingeführt.

Wie sieht die schnelle Hilfe aus?

Risse: Für den vertrauensvollen Erstkontakt haben wir kompetente zentrale Ansprechpersonen benannt, die weisungsfrei sind und der Schweigepflicht unterliegen. Diese bieten zeitnah Gespräche an und koordinieren Unterstützungsmöglichkeiten. Durch gute Kontakte zu therapeutischen Einrichtungen können sie bei Bedarf zügig intensivere Maßnahmen einleiten. Die beste Hilfe nützt nichts, wenn man monatelang darauf warten muss. Hilfesuchende müssen frühzeitig und schnell Unterstützung bekommen.

Mangelnde Wertschätzung empfinden Pflegekräfte als besonders belastend. Wie begegnen Sie diesem Problem?

Risse: Vorgesetzte aller Ebenen müssen achtsam zu sein. Sie sollten Verhaltensweisen, die auf eine belastende Situation hindeuten, frühzeitig wahrnehmen und die Betroffenen darauf ansprechen. Gemeinsam gilt es dann, Lösungen zu finden. Doch dieser Prozess muss gelernt und eingeübt werden.

Das niedrigschwellige Angebot hat sich bewährt: Die Mitarbeiter suchen früher Hilfe.

Leitungspersonen sind daher bei uns per Dienstvereinbarung verpflichtet, regelmäßig an speziellen Fortbildungen und Trainings teilzunehmen.

Was gehört außerdem zum Konzept?

Risse: Wir wissen, dass Bewegung, Entspannung oder ein Hobby zur Stressbewältigung beitragen. Besondere Angebote von Seiten des Unternehmens, wie bei uns der Betriebssport, erleichtern den Zugang. Wichtig sind auch gemeinsame Erlebnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Hierarchiegrenzen hinweg, zum Beispiel Betriebsfeiern, eine Yogagruppe oder ein Chor. Da lernen sich Menschen aus unterschiedlichen Bereichen kennen, die sonst nie zusammengekommen wären, wie die Oberärztin und der Mitarbeiter aus dem Fahrdienst. Das fördert den Zusammenhalt.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang gesammelt?

Risse: Das niedrigschwellige Angebot hat sich bei uns sehr bewährt. Wir beobachten, dass Mitarbeiter schneller und früher Hilfe suchen und annehmen. Denn die ständige Präsenz der Ansprechpartner sorgt für kurze Wege und baut Hemmungen ab. Mit dieser Frühintervention konnten wir tatsächlich in einigen Fällen eine wochen- oder gar monatelange Arbeitsunfähigkeit vermeiden. Sicherlich gibt es noch das eine oder andere zu verbessern, doch wir sind auf einem guten Weg zu einem lebenswerten Arbeiten.

Beate Ebbers stellte die Fragen. Sie ist freie Journalistin in Peine.
Bildnachweis: St. Christophorus-Krankenhaus Werne