Handlungsbedarf bei Arznei-Sicherheit
Berichte über gefälschte oder gestreckte Medikamente zeigen, dass Deutschland bei der Arzneimittel-Sicherheit nachbessern muss. Dr. Ilona Köster-Steinebach meint, dass bewährte Methoden wie etwa Fehlermeldesysteme dafür Modell stehen könnten.
Zunächst: Arzneimittel-Sicherheit
ist etwas anderes als Arzneimitteltherapie-Sicherheit. Bei letzterer geht es darum, dass Ärztinnen und Ärzte Arzneimittel an Patienten so verordnen und verabreichen, dass keine vermeidbaren Risiken zum Beispiel durch Wechselwirkungen oder Verwechslungen auftreten. Zur Arzneimitteltherapie-Sicherheit entwickelt eine Arbeitsgruppe im Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) regelmäßig Handlungsempfehlungen für Leistungserbringer und Patienteninformationen.
Bei der Arzneimittel-Sicherheit hingegen geht es um die Frage der Versorgungssicherheit: Stehen den Patientinnen und Patienten in Deutschland die Medikamente zur Verfügung, die für ihre Behandlung erforderlich sind und weisen diese die erforderliche Produktqualität auf? Es handelt sich also um eine ganz andere Handlungsebene. Während die Arzneimitteltherapie-Sicherheit das Verhältnis von Behandelnden und Patienten zum Inhalt hat, ist die Arzneimittel-Sicherheit auf der Ebene des gesamten Gesundheitssystems angesiedelt.
Fehler sind Ergebnisse von Strukturen und Prozessen.
Die Arzneimitteltherapie-Sicherheit wird als Teil der Patientensicherheit im engeren Sinne angesehen und mit dem darauf abgestimmten Instrumentarium adressiert. Ein Kernpunkt ist die Erkenntnis, dass man aus Fehlern lernen sollte, um zu verhindern, dass sie immer wieder auftreten. Dazu gibt es einrichtungsinterne und -übergreifende Fehlermelde- und Lernsysteme, die Critical Incident Reporting Systems (CIRS).
Hintergrund dafür ist die Überzeugung, dass Fehler oder unerwünschte Ereignisse nicht als isolierte Phänomene anzusehen sind, die schicksalhaft, unvorhersehbar und damit unvermeidlich eintreten. Vielmehr sind sie Ergebnisse von Strukturen und Prozessen, die das Vorkommen ermöglichen oder begünstigen, im schlimmsten Fall sogar hervorrufen. Dabei ist die Frage unerheblich, ob ein bestimmter Fehler schon oft vorgekommen ist oder erstmals: Allein die Tatsache, dass etwas passiert ist, macht deutlich, dass es passieren konnte und in Zukunft wieder vorkommen kann, dass also aktives Handeln erforderlich ist, um das Risiko von Wiederholungen auszuschließen.
Instanz für Sicherheitsprobleme schaffen.
Überträgt man den CIRS-Ansatz auf die Arzneimittel-Sicherheit, so zeigt sich am Beispiel des verunreinigten Valsartan, aber auch an den wiederholten Berichten über gefälschte oder gestreckte Medikamente, sei es bei der Zubereitung von Krebsmitteln in Apotheken oder bei Reimporten über den Großhandel, dass das Gesundheitssystem an dieser Stelle erheblichen Handlungsbedarf hat.
Krankenhäusern würde man empfehlen, ihr Qualitätsmanagement auszubauen. Das deutsche Gesundheitssystem als Ganzes hat aber (noch?) keine Instanz, die sich in vergleichbarer Art und Weise strukturiert, ja automatisiert Patientensicherheitsproblemen annimmt wie ein gutes Qualitätsmanagement. Dabei gibt es viele engagierte Akteure: von den Krankenkassen über Verbände von Leistungserbringern aus Ärzte- und Apothekerschaft bis hin zum Bundesgesundheitsministerium und seinen nachgeordneten Behörden.
Gute Kommunikation baut im Schadensfall Ängste und Unsicherheiten ab.
Im Bereich der Patientensicherheit gilt als weitere Grundregel: nicht Schuldige, sondern Lösungen suchen! So soll jeder motiviert werden, Gefahrenquellen zu nennen – ohne Angst vor Sanktionen oder Nachteilen. Das ist im Bereich der Arzneimittel-Sicherheit, die teilweise mit Vorsatz und strafrechtlich relevant aufs Spiel gesetzt wird, nicht immer angemessen. Trotzdem sollte in der öffentlichen Debatte und von den gesundheitspolitischen Akteuren viel öfter die Frage gestellt werden, mit welchen Strukturen und Prozessen bekannte Risiken der Arzneimittel-Sicherheit reduziert oder sogar ausgeschaltet werden können.
Zügig Kontakt zu Betroffenen aufnehmen.
Und schließlich geht es um die gute Kommunikation gegenüber den Patienten. Diese ist insbesondere nach einem Schadensfall erforderlich, um Ängste und Unsicherheiten abzubauen und zu verhindern, dass zum bereits eingetretenen Schaden weitere hinzukommen. Gerade die Kommunikation im Fall Valsartan zeigt, dass hier noch Verbesserungspotenzial besteht. Es sollten Strukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, gezielt und schnell Kontakt zu Betroffenen aufzunehmen. In Kooperation mit Patientenvertretern und Kommunikationswissenschaftlern würden sich im Fall des Falles rasch verständliche und hilfreiche Informationen übermitteln lassen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Methoden und Sichtweisen der Patientensicherheitsbewegung Modell für die Anforderungen der Arzneimittel-Sicherheit sein können, auch wenn diese auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist.