Debatte: Für die Schönheit unters Messer?
Die Forderung nach einem Werbeverbot für Schönheitsoperationen greift zu kurz, meint Prof. Dr. med. Dennis von Heimburg. Der Chirurg plädiert stattdessen für schärfere gesetzliche Regelungen für ästhetisch-plastische Behandlungen bei Jugendlichen.
Ob Castingshows im Fernsehen
oder Influencer auf Instagram und Youtube – mediale Vorbilder üben heute einen dramatisch gestiegenen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung junger Menschen aus. Immer öfter kommen insbesondere junge Frauen mit vielfach bearbeiteten Fotos von sich selbst in die Praxen der Schönheitschirurgen. Anhand dieser unrealistischen Vorlagen sind dann Fettabsaugen, Intimchirurgie sowie Brust- und Lippenvergrößerungen die gefragtesten Behandlungen. Die Vorstellungen der jungen Patientinnen und Patienten sind meist angelehnt an übersteigerte Schönheitsideale, welche zunehmend in der medial geprägten Alltagswelt der Jugendlichen kursieren. Mit einer für den seriösen Facharzt vertretbaren Realität hat das in der Regel nicht mehr viel zu tun.
Weltweit mehr Eingriffe bei Minderjährigen.
Laut den Statistiken der International Society of Aesthetic Plastic Surgery steigt die Zahl der ästhetischen Eingriffe bei Jugendlichen weltweit stetig an. Im Jahr 2015 wurden von allen Brustvergrößerungen weltweit noch 3,1 Prozent bei Patientinnen unter 18 Jahren durchgeführt. 2017 waren es bereits 9,1 Prozent.
In der Alltagswelt von Jugendlichen kursieren übersteigerte Schönheitsideale.
Dieser hohe Anteil wird vor allem durch die Zunahme auf dem amerikanischen Kontinent bestimmt: 21,7 Prozent in Mexiko, 18,6 Prozent in Brasilien, sieben Prozent in den USA. Während in Deutschland die Zahl der ästhetischen Operationen an Minderjährigen zwar geschätzt weniger als ein Prozent aller ästhetischen Operationen beträgt, liegen die Zahlen im restlichen Europa ebenfalls mit steigender Tendenz deutlich höher. Aufgrund des weltweiten Trends ist auch hierzulande mit einem Anstieg dieser Zahlen zu rechnen.
Rechtslage ist nicht eindeutig.
Die deutsche Rechtslage ist uneindeutig: Der Wunsch nach einer optischen Veränderung und die Entscheidung für einen entsprechenden ästhetischen Eingriff liegt beim Patienten, da es ein medizinisches Selbstbestimmungsrecht gibt. Ist dieser minderjährig, dann muss der Arzt entscheiden, ob der Patient einwilligungsfähig ist oder ob die Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich ist. Es stellt sich allerdings die Frage: Kann der jugendliche Patient selber überhaupt die Tragweite seines Vorhabens realistisch einschätzen, inklusive Kosten, Nachbehandlungen und möglichen Risiken? Und sollen die Erziehungsberechtigten tatsächlich die Verantwortung tragen, über einen lebensverändernden Eingriff ihres Kindes zu entscheiden?
Behandlung ist oft nicht ratsam.
Oft ist der Wunsch nach einer Schönheits-OP nicht in einem sichtbaren körperlichen Makel begründet, sondern lässt sich eher einem geringen Selbstwertgefühl zuschreiben. Junge Menschen wollen zu einer bestimmten Gruppe dazugehören und sind bereit, sich – auch mit den Mitteln der ästhetischen Chirurgie – entsprechend optisch anzupassen. Dabei ist in vielen Fällen die gewünschte Behandlung aus medizinischen Gründen nicht ratsam und harmonisiert auch nicht mit der Gesamtgestalt und -konstitution der jungen Menschen.
Wäre es deshalb nicht angebracht, ästhetische Operationen an Minderjährigen ohne jede medizinische Indikation generell zu verbieten? Auf diese Weise wären nicht nur die Erziehungsberechtigten, sondern auch die Chirurgen von einer Entscheidung für oder gegen einen Eingriff befreit. Abgesehen von medizinisch notwendigen Operationen könnten starke psychische Indikationen der einzige Grund für eine Ausnahme sein. Ein Beispiel für Letzteres stellt die Korrektur von Segelohren dar, welche im Einzelfall bei manchen minderjährigen Patientinnen und Patienten als sinnvoller Eingriff anzusehen ist.
Wir fordern daher eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild Österreichs: Schönheits-Operationen ohne medizinische Indikation bei Jugendlichen unter 16 Jahren sind dort generell nicht erlaubt. Bei Menschen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren muss eine psychologische Beratung erfolgen, um sicherzustellen, dass keine psychische Störung vorliegt. Zudem müssen die Jugendlichen nach Erhalt der elterlichen Einwilligung eine Wartefrist von vier Wochen bis zur Operation einhalten.
Entscheidung mit Bedacht.
Unabhängig von der derzeitigen Gesetzeslage empfehlen wir generell allen jugendlichen Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen, die Entscheidung für einen ästhetischen Eingriff mit Bedacht zu treffen. Für optimale Transparenz und Aufklärung hinsichtlich der favorisierten Behandlung sollten sie zudem stets eine fachliche Beratung aufsuchen. Zum Wohle aller kann der Facharzt medizinisch verbindlich einschätzen, ob der Behandlungswunsch das Potenzial für nachhaltige körperliche Gesundheit und Zufriedenheit bieten kann.