Finaler Check-Up
Mit dem Tod rutschen wir alle in die private Krankenversicherung ab. Ausgerechnet bei Ärzten, die sonst keine Privatpatienten links liegen lassen, macht uns das nicht unbedingt beliebter. Die Leichenschau wird aus ihrer Sicht zu schlecht bezahlt. Jetzt gibt es endlich mehr Geld für den finalen Check-Up. Rezeptfreie Anmerkungen von Thomas Rottschäfer
Gesundheit zusammen!
Eine bekannte Beamtenregelung heißt: „Die Dienstreise endet bei Tod.“ Tja, für uns alle endet einmal die irdische Dienstreise. Und mit dem Tod endet auch die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Tot sind wir alle privat versichert.
Das ist ein bisschen blöd. Ein gesetzlich versichertes Leben lang wartet man auf einen Termin beim Hautarzt. Jetzt ist man als Toter privatversichert, käme schneller dran, hat aber plötzlich ewig Zeit, auf Herrn oder Frau Doktor zu warten.
ToRo zum Hören:
Nach dem Ableben geht es bei vielen erst einmal um die Frage „Himmel oder Hölle?“. Trotzdem hat das postmortale Abrutschen in die Privatversicherung ganz irdische Konsequenzen: für die Hinterbliebenen. Denn die Leichenschau „liquidieren“ Ärzte nach der privaten Gebührenordnung. Der Begriff „liquidieren“ bekommt hier eine ganz andere Bedeutung …
Bei den Docs ist der finale Check-Up trotz Privatabrechnung unbeliebt, weil nicht gerade lukrativ. Es gibt wenig Folgeaufträge. Deshalb hat der eine oder andere Arzt gerne mal eine sehr persönliche Privatrechnung ausgestellt, um ein paar Krümel mehr beim Leichenschmaus abzustauben.
Alles Schnee von gestern.
Seit Januar dieses Jahres gibt es eine neue Gebührenordnung und im Schnitt 193 Euro für die Leichenschau. Betriebswirtschaftlich ist der letzte Blick mit 20 Minuten kalkuliert. In der Eile kann man schon mal einen Mord übersehen. Rechtsmediziner vermuten, dass jedes Jahr bis zu 2.000 Tötungsdelikte unerkannt bleiben. Überliefert ist der Fall, bei dem ein Messer im Rücken des Toten erst bei der Wertstofftrennung kurz vor der Feuerbestattung entdeckt wurde.
Nicht nur Rechtsmediziner beklagen eine gewisse Schlampigkeit im Umgang mit dem amtlichen Ende. Die Universität Rostock hat vor einiger Zeit 10.000 Totenscheine unter die Lupe genommen. Nur 223 waren korrekt ausgefüllt.
Nicht gut. Denn über die Todesursachenstatistik beeinflusst jeder einzelne Totenschein ein kleines bisschen mit, für welche Medikamente und Behandlungsmethoden geforscht wird oder für welche Krankheiten Präventionsprogramme entwickelt werden.
Herz-Kreislauf ist der Megastar
der Totenschein-Szene – weil eben auch ein Messer im Rücken aufs Herz schlägt. Infektionen sind dagegen die Mauerblümchen. Kaum ein Arzt erkennt oder nennt sie als eigentliche Todesursache. Vielleicht schlucken wir deshalb so viele Blutdruckpillen und ignorieren die Grippeschutzimpfung, wenn die gemeine Influenza nicht gerade als Coronavirus, Schweine- oder Vogelgrippe daherkommt.
Gute Besserung!