Neues aus der Uni

„Gesundheitspolitik braucht Evidenz statt Bauchgefühl“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. med. Max Geraedts, M.San., Direktor des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg.

Herr Professor Geraedts, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Max Geraedts: Wir befinden uns gerade in der Auswertungsphase zweier Projekte, die über den Innovationsfonds gefördert werden: bei dem einen Projekt geht es um die Häufigkeit von sicherheitsrelevanten Ereignissen in der ambulanten Versorgung aus der Perspektive von Patienten. Dazu haben wir mehr als 10.000 Bürger telefonisch befragt. Bei dem anderen Projekt geht es darum, ob die verschiedenen Strategien zur Qualitätsverbesserung der Versorgung von Schlaganfallpatienten – insbesondere die Einrichtung von Stroke Units und deren Zertifizierung sowie die verpflichtende externe Qualitätssicherung – tatsächlich das Versorgungsergebnis der Patienten verbessern.

Portrait von Prof. Dr. med. Max Geraedts, M.San., Direktor des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg

Zur Person

Prof. Dr. med. Max Geraedts leitet seit 2016 das Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Universität Marburg. Er studierte Humanmedizin in Marburg sowie Gesundheitswissenschaften und Sozialmedizin in Düsseldorf und absolvierte danach ein Postdoctoral Fellowship der Gesundheitsversorgungsforschung (Health Services Research) am Institute for Health Policy Studies der University of California, San Francisco, USA. Von 2000 bis 2008 bekleidete Geraedts die Professur für Public Health an der Universität Düsseldorf und übernahm anschließend an der Universität Witten/Herdecke den Lehrstuhl für Gesundheitssystemforschung.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Geraedts: Die von uns bearbeiteten Fragestellungen der Gesundheitsversorgungsforschung lassen sich nur mit Hilfe der Methoden aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen beantworten. In dem von mir geleiteten Institut arbeiten Ärzte, Soziologen, Sozialwissenschaftler, Gesundheitswissenschaftler, Humangeographen und Statistiker zusammen; deren gemeinsames Methodenwissen brauchen wir, um zu wissenschaftlich korrekten Ergebnissen zu kommen. Darüber hinaus sind wir regional mit den Klinikern des Universitätsklinikums, dem Gesundheitsamt und den weiteren Akteuren vor Ort vernetzt. Wesentlich ist weiterhin die Vernetzung mit anderen Wissenschaftlern über die verschiedenen kooperativen Forschungsprojekte und das Deutsche Netzwerk für Versorgungsforschung.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Geraedts: Zumindest für Fragen zur optimalen Gesundheitsversorgung kann man nur raten, auf die Wissenschaft zu hören – wer sonst sollte die Fakten für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik liefern; alleine das Bauchgefühl oder der Rat von Lobbyisten reicht dazu nicht aus.

 

Diese Rubrik finden Sie auch in der Wissenschaftsbeilage der G+G. Hier geht es zur aktuellen G+G-Wissenschaft.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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