Pflegekräfte stehen nicht erst seit der Covid-19-Pandemie unter Druck.
Prävention

Ausgebrannt durch Arbeitsstress

AOK-Daten zeigen: In Pflegeberufen tritt das Burnout-Syndrom besonders häufig auf. Eine Kampagne der Gesundheitskasse hilft Pflegeunternehmen, ihre Beschäftigten vor dem Ausbrennen zu schützen. Von Hilke Nissen

Starker Zeitdruck

und hohe Verantwortung, Druck von Vorgesetzten, Ärger mit Angehörigen: Viele professionell Pflegende leiden unter Dauerstress. Die Symptome sind vielfältig und betreffen meist Körper und Psyche: Entkräftung kombiniert mit Schlafstörungen, Gefühlen der Überforderung und Überlastung. Folgt auf Phasen der Anspannung keine ausreichende Erholung, droht das Burnout-Syndrom, ein chronischer Erschöpfungszustand. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Burnout nun erstmalig als Berufsphänomen beschrieben. Sie ordnet es als Folge von chronischem Arbeitsstress im internationalen ICD-11-Katalog ein, der seit Januar 2022 in allen WHO-Staaten gilt.

Burnout hat zugenommen.

Die mit Burnout begründeten Arbeitsunfähigkeitstage nehmen allgemein stark zu. Laut Fehlzeiten-Report 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK haben sie sich innerhalb von zehn Jahren bei den AOK-Versicherten um fast 36 Prozent erhöht. Die Betroffenen fehlen mit 30 Tagen auch wesentlich länger als der Bundesdurchschnitt aller Erkrankten in Deutschland, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Dies ist sowohl für die Betroffenen, als auch für Unternehmen eine Belastung.

Burnout trifft vor allem helfende Berufe. Pflegekräfte stehen nach Analysen des Fehlzeiten-Reports 2021 gleich hinter den Sozialarbeitern/Sozialpädagogen auf den Plätzen zwei bis vier. Dabei sind Frauen deutlich länger krankgeschrieben als Männer. Mit zunehmendem Alter steigt bei beiden Geschlechtern das Risiko, infolge eines Burnouts krankgeschrieben zu werden.

Erkrankungen im Zusammenhang mit einem Burnout traten im Jahr 2021 in Pflegeberufen fast doppelt so häufig auf, wie in allen anderen Berufen (1,1 Arbeitsunfähigkeits(AU)-Fälle/100 AOK-Mitglieder gegenüber 0,6 AU-Fällen/100 Mitglieder). Der Anteil der Erkrankungsfälle in Pflegeberufen im Zusammenhang mit Burnout hat seit 2012 um mehr als 15 Prozent zugenommen.

Krankmachende Strukturen beseitigen.

„Professionelle Pflegekräfte stehen nicht erst seit der Covid-19-Pandemie stark unter Druck“, sagt Werner Winter, Experte für Betriebliche Gesund­heits­för­derung im AOK-Bundesverband. So belasten unter anderem Schicht- und Springerdienste, Überstunden und zu wenig Personal die Gesundheit der Pflegekräfte. Auch hohe emotionale Anforderungen, mangelnde Unterstützung und Wertschätzung am Arbeitsplatz oder schlechte Arbeitsorganisation setzen der Psyche zu. Das Gefühl, den Job nicht mitgestalten zu können und dort stets im Überforderungsmodus zu sein, kann zu Rückzug und Frustration führen und steht mit einem höheren Burnout-Risiko in Verbindung. „Damit der Pflegejob nicht krank macht, sind Führungskräfte und Arbeitgeber gefordert, die krankmachenden Strukturen zu beseitigen. Sie müssen vorbeugen und die Belastungen im beruflichen Umfeld reduzieren, damit die Beschäftigten gar nicht erst ins Burnout geraten. Die Führungskraft sollte immer ein offenes Ohr für die Pflegeteams haben, eben nah am Geschehen sein und bei ersten Anzeichen, wie Ärger im Team, unkonzentrierte und überlastete oder frustrierte Mitarbeitende, das direkte Gespräch suchen“, so AOK-Experte Winter.

Fluktuation verringern.

Damit Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser ihre Pflegekräfte besser unterstützen können, hat die AOK die bundesweite Kampagne „Pflege.Kräfte.Stärken“ ins Leben gerufen (siehe Webtipp). Bei Kernthemen, wie Arbeitsorganisation, Aufgabenmanagement oder selbstbestimmtes Arbeiten, unterstützen Onlineangebote oder AOK-Berater vor Ort die Pflegekräfte. „Wenn sich die Führungsebene aktiv für die Gesundheit ihrer Pflegekräfte einsetzt, hat das positive Auswirkungen auf die Personalfindung und -bindung. Die Pflegeeinrichtungen, die sich um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden kümmern, sind für qualifizierte Beschäftigte deutlich attraktiver. Die Fluktuation ist zudem geringer“, sagt Winter.

Hilke Nissen ist Redakteurin im KomPart-Verlag.
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