Wie Pflegende entlasten?
Pflegende Angehörige leisten viel und sind oft am Ende ihrer Kräfte. Es gibt zahlreiche Hilfen, doch die abrufbaren Leistungen sind unübersichtlich. Wie kann die Politik Pflege zu Hause unterstützen?
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland e. V.:
Wer zu Hause gepflegt wird, braucht eine gute Beratung. Nur dann können sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen im Pflegedschungel zurechtfinden. In schwierigen Lebenslagen benötigen sie zudem Unterstützung bei der Organisation der Hilfen. Außerdem müssen Entlastungsleistungen niedrigschwellig und unbürokratisch verfügbar sein. Das wird möglich, wenn sie in einem Budget zusammengefasst werden. Andere Dienstleister, etwa aus dem Bereich der Hauswirtschaft, müssen Leistungen erbringen können. Nur so lässt sich verhindern, dass Angebote durch den Fachkräftemangel in der Pflege ersatzlos wegfallen.
Anja Schödwell, Referentin Selbsthilfe und Pflege bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V.:
Angehörige sorgen durch ihre Pflegeübernahme für eine enorme Kostenentlastung von Bund, Ländern und Kommunen. Diese müssen endlich eine aktive Unterstützung Pflegender im Haushalt durch die Bereitstellung flächendeckender Angebote bedarfsgerechter Entlastungsleistungen umsetzen. Gleiches gilt für Angebote gemeinschaftlicher Selbsthilfe, welche die seelische Gesundheit stärken. Es ist unerlässlich, dass Länder und Kommunen bereitstehende Fördermittel gemäß Paragraf 45d Sozialgesetzbuch XI abrufen und Hürden in der Förderpraxis abbauen, um das Engagement pflegender Angehöriger in der Selbsthilfe zu unterstützen.
Prof. Dr. Andreas Büscher, Professor für Pflegewissenschaft an der Hochschule Osnabrück:
Wichtig ist ein gutes Ineinandergreifen der Unterstützungsleistungen mit der Arbeit der Angehörigen. Es geht nicht darum, sie zu ersetzen, sondern sie passgenau zu unterstützen. Dies kann in einem Fall durch einfache Information, in einem anderen durch ausführliche Beratung und im dritten Fall durch die schnellstmögliche Verfügbarkeit eines Kurzzeitpflegeplatzes geschehen. Die vielen vorhandenen Beratungsangebote müssen bekannter werden, und das geht am besten, indem eine Koordination auf kommunaler Ebene stattfindet und vor Ort Ansprechpartner benannt werden können.
Brigitte Döcker, Bundesvorsitzende des AWO Bundesverbandes e. V.:
Angehörigenpflege benötigt gesellschaftliche und politische Akzeptanz. Die Pflegeberatungsstruktur ist nicht einfach zu überblicken. Hilfreich wäre ein einheitliches und unabhängiges Beratungsangebot als Bürgerservice in kommunaler Trägerschaft. Angehörige benötigen zur Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Familie eine Ersatzleistung analog zum Elterngeld und flexible Arbeitszeitmodelle. Institutionell ist dringend ein Ausbau von Tagespflege- und Kurzzeitpflegeangeboten nötig. Zudem sollten pflegende Angehörige Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen erhalten. Auch unbürokratische Anerkennungsleistungen, wie Gutscheine für gesundheitsfördernde Aktivitäten, sind überlegenswert.