Nur eine Notoperation
Die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach für stabilere Kassenfinanzen belasten vor allem Geringverdiener. SPD und Grüne sollten sich dagegen auflehnen, meint Tim Szent-Ivanyi.
Karl Lauterbach ist ein höflicher Mensch.
Einige Monate hat er sich an seine anfängliche Zusage gehalten, seinen Amtsvorgänger Jens Spahn nicht zu kritisieren. Doch angesichts des Rekorddefizits in der gesetzlichen Krankenversicherung gab der unter Druck stehende Gesundheitsminister kürzlich seine Zurückhaltung auf: Er habe dieses Defizit von dem CDU-Politiker geerbt, der teure Leistungsreformen umgesetzt, von Strukturreformen aber „Abstand genommen“ habe.
Was Lauterbach allerdings als Entwurf für ein „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ vorgelegt hat, ist ebenfalls alles andere als nachhaltig. Weil Finanzminister Christian Lindner die Schuldenbremse einhalten und daher nur zwei Milliarden Euro plus ein Darlehen von einer Milliarde locker macht, muss Lauterbach regelrecht Geld zusammenkratzen, um das Loch von mindestens 17 Milliarden Euro vollständig zu stopfen. Mehr als eine Notoperation ist das nicht: 2024 dürfte das Defizit sogar noch höher ausfallen, und dann stehen nicht einmal mehr Rücklagen bei Kassen und dem Gesundheitsfonds zur Verfügung, denn die plündert Lauterbach schon jetzt.
Der Entwurf ist alles andere als nachhaltig.
Seine Aussage, es gehe nur um eine Zwischenfinanzierung, denn danach wirke die von ihm in die Wege geleitete Krankenhausreform, ist unglaubwürdig. Bei dem gemächlichen Tempo, das der Minister derzeit in der Reformarbeit vorlegt, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine Klinikreform bereits im kommenden Jahr fertig wird. Außerdem kosten Strukturreformen erfahrungsgemäß erst einmal Geld, bevor sie Einsparungen bringen. Es wird spannend, wie Lauterbach die neuen Löcher stopfen will.
Dass Lindner das Geld zusammenhalten will, ist nach drei Corona-Jahren mit offenen Geldschleusen zwar nachvollziehbar. Doch so blank, wie er tut, ist er gar nicht: Er hat mehrere Milliarden Euro reserviert, um das Herzensanliegen der FDP umzusetzen: Steuersenkungen.
Das sorgt jedoch für eine soziale Schieflage, wenn gleichzeitig die Beitragssätze für Kranken- und Pflegeversicherung deutlich steigen müssen. Denn höhere Sozialbeiträge belasten insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, während von Steuersenkungen vor allem Gutverdiener profitieren. Und das, obwohl zum Jahreswechsel saftige Energienachzahlungen anstehen. Lauterbachs SPD und die Grünen sollten das korrigieren.