Kampagne

Mehr Aufmerksamkeit für Sepsis

Eine Blutvergiftung kann genauso tödlich sein wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bevölkerung und Klinikpersonal müssen deshalb mehr über die Sepsis wissen, meint Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit.

Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Notfall

und muss wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort behandelt werden. In Deutschland sterben jährlich geschätzt mehr als 75.000 Menschen daran. Mindestens 20.000 Todesfälle sind jedoch vermeidbar, würde die Sepsis rechtzeitig und sofort richtig behandelt werden. Bei einer Sepsis handelt es sich um den schwersten Verlauf einer Infektion. Erreger gelangen in den Blutkreislauf und rufen eine Überreaktion der körpereigenen Abwehr hervor. Dies schädigt Gewebe und Organe. Die Folgen sind ein septischer Schock, Multiorganversagen und im schlimmsten Falle der Tod. Was jedoch viele nicht wissen: Sepsis entsteht nicht nur in Kliniken, sondern insbesondere im Alltag, unabhängig von Lebenssituation und Alter.

Problematisch ist, dass eine Sepsis mitunter nicht leicht zu erkennen und einzugrenzen ist. Bei Sepsis gibt es nicht das eine klare Zeichen. Dies erschwert die Diagnosestellung. Aufgrund der allgemeinen Symptomatik passiert es auch Ärzten, dass sie Sepsis-Symptome einer Erkältung oder Grippe zuweisen. Das ist fatal, denn der Kampf gegen Sepsis ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Jede Minute zählt. Mit jeder Stunde, die eine Sepsis nicht erkannt wird, steigt das Risiko daran zu versterben oder unter Langzeitfolgen zu leiden.

Klinikpersonal sensibilisieren.

Auch innerhalb des medizinischen Personals muss Sepsis als Erkrankung mehr Aufmerksamkeit erhalten. Wichtige Frühzeichen sind unter anderem ein extremes Krankheitsgefühl, Verwirrtheit, Wesensveränderung, Desorientierung, ausgeprägte Kurzatmigkeit, schneller Puls und erniedrigter Blutdruck. Auch extreme Schmerzen sowie kalte, feuchte Haut und Schüttelfrost können Anzeichen sein. Fieber muss nicht unbedingt auftreten. In den Kliniken fehlt oft das Bewusstsein für diese lebensbedrohliche Erkrankung. Teilweise hat das Personal Sepsis als mögliche Notfall-Erkrankung nicht auf der Agenda. Sie tritt erst in den Fokus, wenn Patienten mit einem septischen Schock auf der Intensivstation landen. Ein wichtiges Ziel unserer Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis ist es, das medizinische Fachpersonal und die Ärzteschaft für das Krankheitsbild Sepsis zu sensibilisieren. Die Universitätsmedizin Greifswald geht mit gutem Beispiel voran und hat sowohl Ärzte als auch Pflegepersonal erfolgreich zum Thema Sepsis geschult. In den darauffolgenden zwei Jahren gab es 36 Prozent weniger Sepsis-Todesfälle in der Klinik.

Mit Klischees aufräumen.

Sepsis muss auch in der breiten Bevölkerung bekannter werden. Es ist unser Bestreben durch die Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis zusammen mit unseren Partnern – Sepsis-Stiftung, SepsisDialog der Universitätsmedizin Greifswald und Deutscher Sepsis-Hilfe – über Sepsis zu informieren. In der allgemeinen Bevölkerung hält sich die Annahme, eine Blutvergiftung sei ein roter Strich auf Armen oder Beinen, der zum Herzen aufsteigt. Dabei handelt es sich aber um eine Lymphangitis, also die Entzündung einer Lymphbahn. Diese ist im Gegensatz zur Sepsis nicht lebensbedrohlich und lässt sich gut behandeln.

Der Kampf gegen Sepsis ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Jede Minute zählt.

Des Weiteren wird angenommen, dass eine Blutvergiftung durch infizierte Wunden entsteht und über diese Krankheitserreger in den Körper eindringen. Auch das ist nur bei knapp zehn Prozent der Sepsis-Fälle so. Bei rund 40 Prozent geht eine Sepsis aus einer Lungenentzündung hervor, gefolgt von Harnwegsinfekten mit rund 20 Prozent. Achtsam sollten Patienten auch nach einer Entzündung im Bauchraum sowie nach Operationen sein. Viele Fälle von Sepsis sind vermeidbar. Alle Maßnahmen, die auch vor Infektionen schützen, können helfen, eine Sepsis zu verhindern. Das Sepsis-Risiko kann durch regelmäßiges Händewaschen und Lebensmittelhygiene sowie durch aktiven Impfschutz, beispielsweise gegen Grippe und Covid-19, verbessert werden.

Politik muss Sepsis im Blick behalten.

Es gibt Parallelen zwischen Covid-19 und Sepsis. Auch die Corona-Pandemie hat Infektionserkrankungen in den Fokus gerückt und gezeigt, dass das Wissen über diese Erkrankungen sowie eine gute Infektionsprävention unabdingbar sind. Patienten, die mit schwerem Covid-19-Verlauf im Krankenhaus behandelt werden, entwickeln öfter eine Sepsis. Die Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für #DeutschlandErkenntSepsis zeigt, dass Sepsis auch auf höchster politischer Ebene gesehen wird. Doch das allein reicht nicht aus. Ein wichtiges Zeichen ist es, dass Sepsis auch auf der G7-Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister mit dem Ziel thematisiert wurde, Früherkennung, Diagnose und Therapie von Sepsis zu verbessern. Sepsis muss weiter auf der politischen Agenda stehen.

Ruth Hecker ist Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V.
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