Alltagsdrogen ernster nehmen
Alkohol und Tabak sind gesellschaftlich anerkannt. Doch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, warnt vor der Verharmlosung dieser Suchtmittel und will die Prävention stärken.
Ein Glas Sekt zum Anstoßen,
ein kurzer Zigarettenzug, eine bunte Pille zur Beruhigung. Im täglichen Tagein, Tagaus ist für viele der Konsum von sogenannten Alltagsdrogen normal geworden. Paradoxerweise schrillen in der Gesellschaft häufig schon allein beim Wort „Drogen“ die Alarmglocken. Sie werden als illegal, gefährlich und schmuddelig angesehen. Dabei konsumieren viele Menschen täglich Drogen. Alkohol und Tabak gehören wie selbstverständlich zum Leben dazu.
Realität ist: Knapp zehn Liter reinen Alkohols haben Menschen ab 15 Jahren im Jahr 2020 durchschnittlich in Deutschland getrunken. Rund 127.000 Menschen sterben hierzuland jedes Jahr an den gesundheitlichen Folgen des Rauchens. Schätzungsweise zwei Millionen Menschen sind deutschlandweit medikamentenabhängig.
Welche Maßnahmen sollte die Politik in Angriff nehmen, um diese besorgniserregenden Zahlen zu enttabuisieren und zu reduzieren? Diese Diskussion ist vor dem Hintergrund der regulierten Cannabisfreigabe an Erwachsene aktueller denn je. Sie führt uns erneut vor Augen, wie kontrovers die Meinungen sind und wie emotional die Debatte geführt wird.
Die Sucht- und Drogenpolitik muss aus der Schmuddel-Ecke heraus.
Wir müssen uns fragen, welche Zugangswege zu Alltagsdrogen politisch tatsächlich noch gewollt sind und welche Rahmenbedingungen eine präventive Sucht- und Drogenpolitik erfordert, die Menschen vor gesundheitlichem Schaden bewahren will. Immer wieder wird ein generelles Verbot von Alkohol und Tabak diskutiert. Beide Produkte bergen ohne Zweifel ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko, welches im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Allerdings sind sie – deutlich mehr als Cannabis – derart in unserer Gesellschaft verankert, dass ein generelles Verbot aus vielen Gründen kaum realistisch erscheint.
Ich denke, es ist jetzt notwendig, neu und unvoreingenommen auf die Drogen Alkohol und Tabak zu blicken. Es geht nicht darum, diese Produkte zu verbieten. Dennoch sollte der geltende gesetzliche Rahmen bei diesen Suchtmitteln kritisch geprüft werden. Ehrlicherweise sollten wir uns auch fragen, ob wir gegenüber Heranwachsenden die Suchtgefahr bei Alkohol nicht verharmlosen und ob Bier oder Wein nicht zu leicht verfügbar sind. Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungen zu Verschärfungen bei Sponsoring und Werbung in Bezug auf Alkohol und Tabak sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden. Hier gibt es noch zu viele Schlupflöcher.
Eine umfassende Aufklärungs- und Präventionsarbeit in Schulen, Vereinen und Familien stellt für mich eine zentrale Säule dar. Wir brauchen eine niedrigschwellige Drogenpolitik, die Prävention und Gesundheitsschutz stärkt. Aufklärungs- und Hilfsangebote sollten nicht zuletzt in der Sucht- und Drogenpolitik feste Bestandteile sein.
Deshalb werde ich mich in meiner Amtszeit dafür einsetzen, die Arbeit der Beratungsstellen flächendeckend zu sichern und zu stärken sowie Präventionskampagnen zu unterstützen, wo immer es möglich ist. Zusammen mit Betroffenenverbänden und Initiativen gilt es, weitere notwendige Instrumente und politische Maßnahmen zu diskutieren, diese in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken und weitere politische Schritte daraus abzuleiten.
Sucht- und Drogenpolitik muss aus der Schmuddel-Ecke heraus. Deshalb müssen Sucht und Suchtgefahren enttabuisiert werden. Sie betreffen weite Teile der Gesellschaft und gehören somit breit und offen diskutiert. Die Politik muss in diesem Bereich Antworten geben und Regelungen beschließen, die dem Stand der Forschung entsprechen. Denn diese belegt: Sucht ist eine Krankheit und Betroffene brauchen Hilfe. Alkohol und Tabak sind genauso schädlich wie manch illegale Droge. Ebenso ist der Missbrauch von Medikamenten ein Problem, dem wir uns stellen müssen. Machen wir uns also auf den Weg!