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Kommentar

Die richtigen Lehren ziehen

Implantate, Prothesen, Schrittmacher: Was Segen der Medizin sein soll, entpuppt sich nicht selten als Fluch. Ingo Bach fordert Konsequenzen aus dem jüngsten Medizinprodukte-Skandal.

Medizinprodukte sollen der Gesundheit

und der Lebensqualität dienen. Doch allzu oft tun sie das Gegenteil, wie Recherchen eines internationalen Journalistenteams jüngst enthüllten. Bandscheibenprothesen sollen im Körper zerbröselt sein, Gelenkimplantate giftige Stoffe abgesondert oder Herzschrittmacher den Patienten durch Fehlfunktionen gefährdet haben. Nicht zum ersten Mal gerieten damit Medizinprodukte in den Fokus. Der Skandal um geplatzte Brustimplantate, die mit billigem Industriesilikon gefüllt waren, sorgte zuvor für Schlagzeilen. Davor verunsicherte der Skandal um im Körper korrodierende Knie- und Hüftimplantate die Patienten.

Immer wieder steht das Zulassungsverfahren im Zentrum der Kritik. Zu Recht. Denn gefragt wird: Ist es eigentlich im Sinne des Verbraucherschutzes, wenn private Institute die Unbedenklichkeit eines Medizinproduktes prüfen – also im Auftrag des Herstellers und auch von ihm bezahlt? Warum werden Medizinprodukte zumindest der höchsten Risikoklasse, die in den Körper implantiert werden und mit dem Organismus interagieren – also zum Beispiel Kunstgelenke, Herzschrittmacher, Stents oder Brustimplantate – nach wie vor nicht so behandelt wie Arzneimittel? Diese müssen vor dem Inverkehrbringen umfangreiche Zulassungsprozesse staatlicher Behörden durchlaufen, in denen sie Wirksamkeit und Verträglichkeit nachweisen müssen.

Die Zulassung steht immer wieder in der Kritik – zu Recht.

Ab dem nächsten Jahr soll die Zulassung von Medizinprodukten innerhalb der Europäischen Union verschärft werden. Unter anderem soll die Zahl der zertifizierten Prüfinstitute reduziert werden. Sie sollen besser qualifiziertes Personal beschäftigen, und die Prüfungen sollen nach europaweit gleichen Standards erfolgen. Am grundsätzlichen Problem, dass die Prüfung im Auftrag des Herstellers von privatwirtschaftlichen Instituten erfolgt, ändert das nichts.

Ändern könnten Gerichte etwas: Bei schadhaften Produkten müssten Hersteller mit für sie schmerzhaften Summen belegt werden, sodass sie großes Interesse daran hätten, eine Wiederholung zu vermeiden. Und wenn ein Prüfinstitut die Unbedenklichkeit eines Produktes bescheinigt hat, trägt es eine finanzielle Mitverantwortung. Wenn die Institute abwägen müssten, ob sie einen Hersteller als Kunden verlieren oder einen hohen Schadenersatz riskieren, dürfte die Entscheidung zugunsten der schärferen Prüfung ausfallen.

Ingo Bach ist Chefredakteur Gesundheit beim „Tagesspiegel“ aus Berlin.
Bildnachweis: Kai-Uwe Heinrich