Fördert die Entwicklung von Kindern: draußen spielen trotz Schnee und Eis.
Heilmittel

Reifezeugnis für die Schule

Sprachlich nicht weit genug und motorisch nicht gut drauf – bei vielen Fünf- bis Siebenjährigen diagnostizieren Kinderärzte Entwicklungsstörungen. Dies geht aus dem neuen Heilmittelbericht hervor. Von Andrea Waltersbacher

Für Kinder, die in die Schule kommen,

beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt. Vor dem Schulstart untersuchen Kinderärzte bei der U9 ihre körperliche und geistige Entwicklung. Diese Vorsorgeuntersuchung ist besonders umfangreich, um bestehende Krankheiten und Entwicklungsstörungen rechtzeitig zu erkennen und, wenn nötig, zu behandeln. Zudem prüft ein Arzt bei der Schuleingangsuntersuchung, ob die Kinder schulreif sind und in irgendeinem Bereich besondere Förderung und Unterstützung benötigen.

Bei der Sprache hinterher.

Wie es um die Entwicklung von Kindern bestellt ist, geht aus dem neuen Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Danach dokumentierten Ärzte bei 34,8 Prozent der über 700.000 AOK-versicherten Kindern zwischen fünf und sieben Jahren 2017 mindestens einmal eine Störung. Jungen waren davon insgesamt rund eineinhalbmal so häufig betroffen wie Mädchen.

Obwohl nicht jede Entwicklungsstörung auch behandlungsbedürftig ist, bekamen fast 14 Prozent der Fünf- bis Siebenjährigen eine unterstützende Sprach- oder Ergotherapie verordnet (18 Prozent der fünf- bis siebenjährigen Jungen und elf Prozent der gleichaltrigen Mädchen). Eine unzureichende Sprech- und Sprachentwicklung dokumentierten Ärzte bei über 80 Prozent der von einer Störung betroffenen Kinder – bei Mädchen häufiger (83 Prozent) als bei Jungen (81 Prozent). Wenn ein Kind Schwierigkeiten bei der Sprache hat, kann dies viele Gründe haben. Eine Sprachtherapie bietet eine zusätzliche Chance, den Schulstart erfolgreich zu meistern. Eine Sprachtherapie erhielten 2017 knapp 84.500 Fünf- bis Siebenjährige. Die sprachtherapeutische Behandlung dauerte durchschnittlich fünf Monate. Insgesamt erhielten sie 1,86 Millionen Sitzungen.

Zu wenig bewegt.

Störungen der motorischen Entwicklung liegen auf dem zweiten Platz der dokumentierten Entwicklungsstörungen. Ein gutes Viertel der fünf- bis siebenjährigen Jungen zeigte motorische Defizite (26 Prozent). Bei den Mädchen waren es 17 Prozent. Den Hauptgrund sehen Therapeuten in der Bewegungsarmut der Kinder. Bei eindeutigen Defiziten in der Motorik und der Wahrnehmung wird Ergotherapie eingesetzt. Von den rund 11.550 AOK-versicherten Kindern zwischen fünf und sieben Jahren mit der Diagnose „Umschriebene Störungen der motorischen Entwicklung“ bekam ein gutes Fünftel eine Heilmitteltherapie (22,5 Prozent der Jungen und 17,5 Prozent der Mädchen). Fast 90 Prozent der Kinder mit motorischen Störungen erhielten eine Ergotherapie. Die Zahl der Behandlungssitzungen belief sich 2017 auf mehr als 229.500.

Heilmittelbericht 2018. Herausgegeben vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO).

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In den vergangenen Jahren ist die Rate der dokumentierten Entwicklungsstörungen bei den Mädchen zwischen fünf und sieben Jahren um rund 31 Prozent gestiegen, bei den Jungen um 24 Prozent. Ob dieser Anstieg auf einen sich verschlechternden Entwicklungsstand der Kinder zurückzuführen ist, oder ob höhere Maßstäbe an die Entwicklung der Kinder angelegt werden, darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise hat nur die Aufmerksamkeit für Entwicklungsstörungen zugenommen. Denn der Heilmittelbericht 2018 zeigt, dass die Rate der wegen Entwicklungsstörungen mit Heilmitteln therapierten Kinder seit seinem Höhepunkt in den Jahren 2011 bis 2015 abnimmt.

Andrea Waltersbacher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Betriebliche Gesundheitsförderung, Heilmittel und ambulante Bedarfsplanung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
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