Baustelle Teamwork?
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Gesundheitsfachberufen mehr Verantwortung zu übertragen. Was meinen Sie: Braucht es mehr Substitution statt Delegation?
Dr. Max Kaplan, Vize-Präsident der Bundesärztekammer:
Nur durch die enge Zusammenarbeit der Ärzte mit den Gesundheitsfachberufen lassen sich die Herausforderungen in einer Gesellschaft des langen Lebens bewältigen. Eine neue Versorgungsebene mit verlagerten ärztlichen Zuständigkeiten würde aber zu einer weiteren Zersplitterung der Versorgungslandschaft, neuen Schnittstellen und Informationsverlusten führen. Das bindet Ressourcen, die in der Patientenversorgung fehlen. Sinnvoll ist eine Übertragung weiterer Aufgaben an qualifizierte Gesundheitsfachberufe sowie verstärkte interprofessionelle Kooperation unter Erhalt der ärztlichen Verantwortung für Diagnose und Indikation.
Irene Maier, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates:
Die Substitution ärztlicher Aufgaben muss endlich kommen, zumal die Delegation inzwischen sehr unterschiedlich ausgeformt und zeitaufwendig ist. Das hat übrigens schon vor elf Jahren der Sachverständigenrat hervorgehoben. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss hat bereits vor fünf Jahren eine Richtlinie erlassen, die eine eigenständige Rolle der Pflege bei bestimmten Indikationen vorsieht. Doch still ruht der See. Wir könnten längst weiter sein, wenn es um die Verschreibung und Auswahl von Hilfsmitteln durch Pflegefachpersonen geht. Stattdessen vergeuden wir wertvolle Ressourcen, und Leitragende sind die Patienten in Kliniken und Heimen.
Susanna Karawanskij, Gesundheitsministerin in Brandenburg:
Das Thema ist sensibel und wird seit Langem diskutiert. Mir ist wichtig, dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten in hoher Qualität sichergestellt und in Anbetracht von demografischem Wandel und Digitalisierung mit den vorhandenen personellen Ressourcen nach bundeseinheitlichen Kriterien zukunftsfest gestaltet wird. Ende 2019 soll auf Basis eines Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz der Aktionsplan „Novellierung der Gesundheitsfachberufe“ insbesondere zum Thema Neustrukturierung der Aufgaben- und Kompetenzprofile in den Gesundheitsfachberufen vorliegen. Auf die Ergebnisse bin ich gespannt.
Professor Dr. Gerhard Igl, ehemaliger Direktor des Instituts für Sozial- und Gesundheitsrecht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel:
Den Gesundheitsfachberufen mehr Verantwortung zu geben, ist längst überfällig. Die gesundheitliche Versorgung kann heute nicht mehr nur vertikal – delegiert von oben nach unten – organisiert werden. Die Berufsangehörigen müssen in der Ausbildung zur selbstständigen Wahrnehmung von Tätigkeiten befähigt werden – bis hin zu vorbehaltenen Tätigkeiten, die nur sie kraft ihrer besonderen Kompetenzen wahrnehmen können. Und es geht darüber hinaus um die Kooperation der Gesundheitsberufe und die Befähigung zu interprofessioneller und interdisziplinärer Aufgabenwahrnehmung.