Für Sie gelesen 4

Buchcover
Organspende

Fakten statt Vorurteile

Die Diskussion um die Neuausrichtung des Organspendesystems zeigt, dass bei vielen Menschen noch Vorurteile und Halbwissen zur Organspende vorherrschen. Doch um eine fundierte Entscheidung für oder dagegen treffen zu können, braucht es Fakten und gesicherte Informationen. Heiko Burrack, der selbst eine Spenderniere von einem hirntoten Menschen bekommen hat, gibt in seinem Buch zu wichtigen Fragen rund um die Themen Gehirn, Hirntod, Organspende und Transplantation kompetente und verständliche Antworten. Dabei lässt er Mediziner, Pflegekräfte, Vertreter der Deutschen Stiftung Organtransplantation und von Selbsthilfegruppen zu Wort kommen. Diese teilen nicht nur ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit, sondern gehen auch auf Kritik und Bedenken zur Organspende ein. Darüber hinaus thematisiert der Autor die aktuell diskutierten politischen Maßnahmen zur Verbesserung der Spenderquote, wie die Widerspruchslösung, die Aufwertung der Transplantationsbeauftragten und die hierzulande nicht erlaubte Organspende nach Kreislaufstillstand (Non-Heart-Beating-Donor). Doch um was es am Ende wirklich geht, machen Interviews mit Transplantierten und Angehörigen von Organspendern deutlich: um das Leben und den Tod von Menschen. Das Buch ist eine wichtige Entscheidungshilfe für alle, die sich mit dem Thema Organspende beschäftigen.
Heiko Burrack: Leben hoch zwei. 2019. 328 Seiten. 24,99 Euro. Verlag medhochzwei, Heidelberg.

Buchcover
Psychische Erkrankungen

Stigma und Scham überwinden

Psychische Erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Fehltage im Beruf. Nicht nur für die Betroffenen sind sie mit Leid verbunden, sondern auch für die Angehörigen. Diese Erfahrung musste Stephen P. Hinshaw, Professor für Psychologie und Psychiatrie, in seiner Kindheit in den 1950er Jahren machen, wie er in seiner bewegenden Autobiografie beschreibt. Wochenlang verschwand der Vater, ohne dass seine Kinder den Grund erfuhren. Die Sorge um den Vater, die Angst, dass er niemals wiederkommen würde, prägten Kindheit und Jugend des Autors. Erst als er erwachsen war, offenbarte ihm der Vater, dass er wegen schwerer Psychosen längere Krankenhausaufenthalte auf sich nehmen musste. Grund für das Verschweigen war, dass psychische Erkrankungen damals selbst von der Fachwelt als so beschämend angesehen wurden, dass ein Verbot des Outings als therapeutisch sinnvoll angesehen wurde. Doch die Folgen des erzwungenen Schweigens, so weiß Hinshaw heute, sind katastrophal. Denn häufig fühlen sich die Kinder für die Erkrankung der Eltern schuldig, eine Bürde, die das Risiko für Depressionen erhöht. Auch heute haftet psychischen Krankheiten immer noch ein Stigma an. Vor dem Hintergrund seiner Geschichte und der eigenen Expertise fordert Hinshaw eine offene Kommunikation, um die Scham zu überwinden und Familien vor Ausgrenzung zu schützen.
Stephen P. Hinshaw: Eine andere Art von Wahnsinn. 2019. 352 Seiten 20 Euro. Psychiatrie Verlag, Köln.

Buch
Pflege

Gemeinsam aus dem Notstand

Als Alexander Jorde, angehender Gesundheits- und Krankenpfleger, am 11. September 2017 in der Wahlarena Bundeskanzlerin Angela Merkel wütend mit der unhaltbaren Lage in der Pflege konfrontierte, ist das mediale Echo groß. Als Netz-Star und TV-Held gefeiert streitet Jorde in den nachfolgenden Wochen in Talkshows und Podiumsdiskussionen mit Politikern und rückt damit den Pflegenotstand in das öffentliche Interesse. Doch viel zu häufig bleibt es bei der Beschreibung der Missstände, eine differenzierte Auseinandersetzung findet in den Medien zu Jordes Bedauern kaum statt. Mit seinem Buch gelingt es ihm nun, diese Lücke zu schließen. Er beschreibt nicht nur, was sich hinter dem Wort Pflegenotstand verbirgt, sondern auch, wie es dazu gekommen ist und welche Akteure daran beteiligt sind. Anschließend entwickelt Jorde eigene Lösungsansätze, die die Versorgung der Patientinnen und Patienten als auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verbessern können. Dabei wirft er einen Blick über den eigenen Tellerrand nach Norwegen, Japan, in die Niederlande und die USA. Diesen Ländern ist es gelungen, ein deutlich besseres Pflegesystem aufzubauen oder gute Konzepte für bestimmte Bereiche zu entwickeln. Doch Jorde ist eines klar: Der Weg aus dem Pflegenotstand gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen – Pflegekräfte, Politiker, Arbeitgeber und jeder Einzelne von uns.
Alexander Jorde: Kranke Pflege. 2019. 211 Seiten. 17 Euro. Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart.

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Neurologie

Biografie mit Wert für die Fachwelt

Viele Autorinnen und Autoren haben sich dem Asperger Autismus in den vergangenen Jahren genähert. Dennoch sind viele Fragen zu dieser neurologischen Besonderheit offen. Nun hat Birgit Saalfrank eine interessante Perspektive hinzugefügt. Sie schildert ihr eigenes Leben, Kindheit, Jugend und beruflichen Werdegang, nachdem sie mit Ende 30 die Diagnose Asperger Autismus erhalten hat. Diese Diagnose führt bei ihr zunächst zu einem psychischen Zusammenbruch. Birgit Saalfrank hatte bis dahin alle Energie in ihre beruflichen und privaten Rollen investiert. Nun gräbt sie Stück für Stück ihre über Jahrzehnte verschüttete Identität aus. Ihre Biografie geht unter die Haut. Doch das Buch hat auch einen großen Wert für die Fachwelt und die Gesundheitsversorgung. Denn es kann Psychotherapeutinnen und -therapeuten helfen, den Asperger Autismus in ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Birgit Saalfrank, die selbst Psychologie studiert hat und rund 15 Jahre Erfahrung als Therapeutin hat, macht deutlich, warum Asperger Autisten psychotherapeutische Unterstützung benötigen und wie sie aussehen könnte.
Birgit Saalfrank: Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin. 2019. 264 Seiten. 24 Euro. Patmos Verlag, Ostfildern.

Beate Ebbers ist freie Journalistin in Peine.