Regionale Lösungen fürs Ländle
Der Ärztemangel – vor Jahren noch undenkbar – ist inzwischen in vielen Regionen ein Thema. Ob der Südwesten Deutschlands dagegen gewappnet ist, diskutierten Experten auf einer Veranstaltung der AOK Baden-Württemberg. Von Ines Körver
Die dunklen Wolken hängen
anderswo – mit einer gewissen Erleichterung hörte das Publikum, wie Professorin Leonie Sundmacher von der Ludwig-Maximilians-Universität München in ihrem Impulsvortrag über den medizinischen Versorgungsbedarf in Deutschland sprach. Sie machte bei der Veranstaltung „AOK im Dialog“ der AOK Baden-Württemberg in der Staatsgalerie Stuttgart zum Thema „Stadt. Land. Gesund: Qualität – Struktur – Vernetzung“ vor allem in Ostdeutschland einen erhöhten Versorgungsbedarf aus. Doch es gibt kein Vertun. Auch in Baden-Württemberg wird es mitunter eng, insbesondere auf dem Land: „Nach den Durchschnittszahlen unserer Kassenärztlichen Vereinigung müsste ich mit meiner Kollegin 1.700 Behandlungsfälle pro Quartal betreuen, es sind aber 2.500“, sagte etwa Dr. Susanne Bublitz, niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Pfedelbach im Hohenlohekreis, bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Ihre Erfahrung: „Täglich rufen in der Praxis bislang unbekannte Patienten an und wollen versorgt werden. Wenn in unserer Region ein Patient einen Hausarzt hat, muss er eigentlich dort bleiben, weil ihn andere Ärzte nicht mehr aufnehmen können.“
Zahl der Hausärzte rückläufig.
In der Tat ist in Baden-Württemberg seit 2013 die Zahl der Hausärzte um fünf Prozent zurückgegangen und die Zahl der Behandlungsfälle um vier Prozent gestiegen, so Dr. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Vermutlich gehen in den nächsten fünf Jahren weitere zehn Prozent im Ländle in den Ruhestand – genau sagen lässt sich das nicht, weil die Haus- und Fachärzte inzwischen nicht mehr ihre Zulassung altersbedingt zurückgeben müssen.
Die Region steht aber vergleichsweise gut da, wie Metke weiter darlegte: Die Hälfte der 200 Krankenhäuser im Land verfüge über Medizinische Versorgungszentren. Zehn Prozent der zugelassenen Fachärzte seien Krankenhausärzte, und ein Drittel der AOK-Versicherten nehme an Haus- und Facharztprogrammen teil. Hinzu käme eine um sechs Prozent geringere Morbidität als ansonsten in der Bundesrepublik sowie über 300 Millionen Euro Extragelder von den Krankenkassen für die ambulante Versorgung: 60 Millionen Euro für die Regelversorgung, 150 Millionen Euro im Rahmen der Haus- und Facharztverträge sowie 100 Millionen Euro für Disease-Management-Programme.
Jungmediziner aufklären.
Wie aber lassen sich Jungmediziner für eine Tätigkeit auf dem Land gewinnen? Ein Problem sei, dass die angehenden Ärzte oft falsche Vorstellungen vom Hausarztdasein auf dem Land hätten: „Sie glauben, es gebe keine oder nicht die richtige Schule für ihren Nachwuchs, obwohl wir bei uns alle Schulformen haben. Sie meinen zudem, sie müssen mehr arbeiten, mehr Notdienste machen und würden weniger verdienen. All dies stimmt aber nicht“, so Hausärztin Bublitz.
Regionaler Qualitätswettbewerb schafft Transparenz für die Versicherten.
Ihr Tipp: Nachwuchsmediziner sollten dringend aufgeklärt werden, wie die Situation wirklich sei. Doch dies allein reicht nicht. „Es müssen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass Mediziner gerne Hausarzt werden. Dazu gehörten die Möglichkeit zur Arbeit in Teilzeit, im Angestelltenverhältnis und mit Telemedizin“, meinte Steffen Jäger, Erster Beigeordneter des Gemeindetages Baden-Württemberg.
Versorgung regional gestalten.
Der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, zeigte sich zuversichtlich, dass sich das hohe medizinische Versorgungsniveau im Südwesten aufrechterhalten lässt: „Wir müssen für die Regionen die Versorgung so gestalten, dass sie sich für die Lebensgestaltung der jungen Ärztinnen und Ärzte auch darstellt. Da müssen alle Beteiligten, die Kommunen, Kassenärztliche Vereinigungen und wir als große Krankenkasse gemeinsam an einem Strang ziehen, um passgenaue Lösungskonzepte zu entwickeln.“
Monika Lersmacher, alternierende Verwaltungsratsvorsitzende der Gesundheitskasse, unterstrich dabei auch die große Bedeutung ihres Gremiums: „Wir, die Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter, sind ein Garant für die gute Versorgung der Versicherten.“ Klar ist: „Wir brauchen mehr Gestaltungsspielräume für die Akteure vor Ort und einen Qualitätswettbewerb unter den Kassen, der in Preis und Leistung Transparenz für die Versicherten schafft“, schloss Hermann.
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