Wie bei Einsamkeit helfen?
Nicht erst seit der Corona-Krise sind viele Menschen einsam und auf sich alleine gestellt. Sollte die Bundesregierung einen Beauftragten für Einsamkeit benennen, wie es ihn in anderen Ländern bereits gibt?
Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
In der vergangenen Legislaturperiode konnten wir mit der Gründung des Kompetenznetzes Einsamkeit einen wichtigen Schritt zur besseren Erforschung und Bekämpfung von Einsamkeit gehen. Diese ist in jeder Generation zu finden und hat sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt. Ein Einsamkeitsbeauftragter, wie in anderen Ländern, ist eine spannende Idee. Ich glaube aber, dass es vor allem wichtig ist, Betroffene zu erreichen und die Faktoren zu verstehen, die zu Einsamkeit führen. Einen speziellen Beauftragten braucht es dazu eher nicht, wenngleich dieser für eine bessere Sichtbarkeit des Themas sorgen könnte.
Yvonne Wilke, Projektleitung des Kompetenznetzes Einsamkeit (KNE):
Einsamkeit ist bei vielen Menschen schambehaftet. Daher braucht es mehr Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Auch die Stärkung der Forschung und des Engagements sowie der sozialen Arbeit sind wichtig. Das Thema ist im politischen Raum angekommen – zuletzt durch den Startschuss für eine Strategie gegen Einsamkeit, die wir unterstützen und begleiten. Ob zur Umsetzung eine Einsamkeitsbeauftragte oder ein -beauftragter sinnvoll wäre, ist politisch zu klären. Wichtiger ist die Einbindung aller relevanten gesellschaftlichen Bereiche, wie beispielsweise Gesundheits- oder Schulwesen.
Gonzalo Haefner, Forscher am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Kassel:
Einsamkeit ist ein Querschnittsthema der Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, das bisher leider zu wenig Beachtung erfährt. Eine feste Ansprechstelle, die die Politik gegen Einsamkeit der unterschiedlichen Ministerien koordiniert, wäre daher wünschenswert. Das wünschen sich im Übrigen auch die Expertinnen und Experten aus der Praxis, die wir befragt haben. Ob dies in der Form eines oder einer Einsamkeitsbeauftragten am besten gelöst wäre, muss die Politik aber selbst entscheiden. Wichtiger als die Art der Stelle ist ohnehin, ob die Kompetenzen irgendwo gebündelt werden.
Lydia Seifert, Geschäftsführerin des ökumenischen Vereins TelefonSeelsorge Deutschland:
Einsamkeit gehört zum Leben. Sehr viele Menschen schildern in Gesprächen ihre Einsamkeitserfahrung. Am Telefon ist es die meistgenannte Begründung für einen Anruf. Die Corona-Pandemie hat Einsamkeit zu einem öffentlichen Thema gemacht. Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit ist wichtig. Dort wo Einsamkeit zur Qual wird, sind wir als Gemeinschaft gefragt. In der Politik muss sie als Querschnittsthema mitgedacht werden. Wenn dies durch eine Beauftragte oder einen Beauftragen erreicht werden kann, begrüßen wir das. TelefonSeelsorge kann Einsamkeit lindern; sie zu mindern braucht jedoch nachhaltige Finanzierung und wirksame Strategien.
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