Soziale Betriebsführung hält gesund
Beschäftigte, die ihrem Unternehmen eine hohe Sozialverantwortung bescheinigen, sind leistungsbereiter, zufriedener und gesünder. Das ist ein zentraler Befund des aktuellen Fehlzeiten-Reports. Von Markus Meyer und Andrea Waltersbacher
Covid-19-Pandemie, Klimawandel, Krieg
in der Ukraine – die gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen in einer global vernetzten Welt stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Mit der zunehmenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und einer ressourcensparenden Produktion unter gerechten Bedingungen steigt die Verantwortung von Unternehmen für die sozialen und ökologischen Folgen ihres Handelns. Werteorientierte Betriebe sind sich ihrer unternehmerischen Sozialverantwortung (Corporate Social Responsibility CSR) für Menschen, Gesellschaft und Umwelt bewusst und handeln entsprechend. Ein Unternehmen wird künftig nur dann mit seinen Produkten und Dienstleitungen erfolgreich sein, wenn die Begriffe Verantwortung und Nachhaltigkeit nicht inhaltsleer bleiben, sondern in der Unternehmenskultur etabliert sind und von allen gelebt werden.
Gute Noten, aber Luft nach oben.
Die Akzeptanz der unternehmerischen Sozialverantwortung erfolgt bisher größtenteils auf freiwilliger Basis. Denn nur Firmen, die mindestens 500 Mitarbeitende haben, unterliegen bisher einer Berichtspflicht über ihre CSR-Aktivitäten. Was es bedeutet, wenn Unternehmen CSR in ihren Wertekanon aufnehmen und in unternehmerische Prozesse integrieren und wie soziale Verantwortung, Nachhaltigkeit sowie Arbeitszufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten zusammenhängen, beleuchtet der Fehlzeiten-Report 2022.
Die Mehrheit der Befragten bewertet das Engagement ihrer Firma für Umwelt und Gesellschaft als ausreichend.
Dazu hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) 2.501 Erwerbstätige im Alter von 18 bis 66 Jahren befragt. In dieser repräsentativen Befragung stimmten knapp 61 Prozent der Teilnehmenden „eher“ bis „voll und ganz“ zu, dass sich das Unternehmen, in dem sie arbeiten, ausreichend für Umwelt und Gesellschaft engagiert. Rund ein Viertel der Befragten (26,6 Prozent) hingegen gab an, dass das CSR-Engagement ihres Unternehmens nicht ausreichend ist. Am besten bewerteten knapp 80 Prozent der Befragten den fairen Umgang mit allen am Unternehmen beteiligten Personen, wie Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden. Dies zeigt, dass Unternehmen diesem Aspekt größere Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Schlüsselfigur Führungskraft.
Die soziale Verantwortung beginnt bei den eigenen Mitarbeitenden. Insbesondere Führungskräfte agieren als Vermittler zwischen der Unternehmensphilosophie und den Beschäftigten. Die Befragungsergebnisse des WIdO stützen die Überlegung, dass die sozialen Standards von Unternehmen auch den Handlungsrahmen für einen gesundheitsförderlichen Führungsstil bereitstellen: Befragte, die ihr Unternehmen als (eher) gemeinwohlorientiert und nachhaltig handelnd wahrnehmen, bewerten auch die gesundheitsbezogene Fürsorge ihrer Führungskraft besser.
Die repräsentative Befragung von rund 2.500 Erwerbstätigen im Alter von 18 und 66 Jahren macht deutlich: Mitarbeitende, die das Corporate Social Responsibility (CSR-Engagement) ihres Unternehmens hoch einschätzen, bewerten auch die gesundheitsbezogene Fürsorge ihrer Führungskraft besser. So stimmen 75,4 Prozent der Befragten, die ihrer Firma ein hohes CSR-Engagement bescheinigen, der Aussage zu, dass die Führungskraft für einen positiven Umgang untereinander sorgt. In der Gruppe, die dem Unternehmen ein geringes CSR-Engagement bescheinigen, waren es lediglich 48,9 Prozent.
Quelle: Fehlzeiten-Report 2022
Dieser Zusammenhang zeigt sich bei allen Bewertungen zum fürsorglichen Führungsverhalten von Vorgesetzten: So stimmen beispielsweise 63,6 Prozent der Befragten aus Unternehmen mit hohem CSR-Engagement der Aussage zu, dass sich die Führungskraft dafür verantwortlich fühlt, auf die Gesundheit des Mitarbeitenden zu achten. In der Vergleichsgruppe mit geringem CSR-Engagement waren es nur 32,8 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage, inwieweit es Vorgesetzten wichtig ist, Belastungen und Risiken am Arbeitsplatz zu minimieren. In Betrieben mit hohem CSR-Engagement bescheinigen dies 66,5 Prozent ihren Vorgesetzten; in der Vergleichsgruppe mit geringem CSR-Engagement sind es nur 35,4 Prozent. Die größte Zustimmung mit 75,4 Prozent gab es für die Aussage, dass die Führungskraft für einen positiven Umgang untereinander sorgt. In Betrieben mit geringem CSR-Engagement lag der Wert bei 48,9 Prozent (siehe Grafik „Sozialverantwortung und gesundheitsförderlicher Führungsstil korrelieren“).
Weniger Wut und Erschöpfung.
Ähnlich eindeutig sind die Zusammenhänge zwischen der unternehmerischen Sozialverantwortung und den gesundheitlichen Beschwerden der Mitarbeitenden. Beispielsweise berichtet die Gruppe, die eine hohe Unternehmensverantwortung wahrnimmt, gleichzeitig über weniger emotionale Belastungen. So empfinden 86,1 Prozent der Gruppe, die dem Unternehmen hohe CSR attestieren, keine oder nur selten Wut und Verärgerung bei der Arbeit. In der Gruppe, die dem Unternehmen eine niedrige Verantwortung bescheinigt, sind es dagegen nur 45,1 Prozent – eine Differenz von 41 Prozentpunkten.
Bernhard Badura, Antje Ducki, Markus Meyer, Helmut Schröder (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2022. Verantwortung und Gesundheit. 655 Seiten. 59,99 Euro. Springer-Verlag, Heidelberg. Auszüge zum Herunterladen
Bei psychosomatischen Beschwerden sind die Unterschiede zwischen beiden Gruppen ähnlich groß: bei Erschöpfung sind es 30,2 und bei Schlafstörungen 26,4 Prozentpunkte. Bei den körperlichen Beschwerden ist die Differenz nicht ganz so extrem, gleichwohl noch deutlich. Bei Rücken- und Gelenkbeschwerden ergibt sich ein Unterschied von 20,8 und bei Kopfschmerzen von 19,9 Prozentpunkten. Darüber hinaus konnten im Gruppenvergleich Mitarbeitende aus Unternehmen mit hoher CSR besser nach der Arbeit abschalten (74,3 zu 49,7 Prozent). Außerdem grübelten sie nach Feierabend weniger über Probleme bei der Arbeit (67,1 zu 43,1 Prozent).
Geringere Fehltage.
Der signifikante Zusammenhang zwischen der Bewertung der Unternehmensverantwortung und dem psychischen und körperlichen Wohlbefinden der Mitarbeitenden spiegelt sich auch in der Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wider. Beschäftigte, die die Sozialverantwortung ihres Unternehmens als gut bewerteten, fehlten in den vergangenen zwölf Monaten krankheitsbedingt 9,7 Tage. Mitarbeitende, die die Unternehmensverantwortung als schlecht einstuften, waren dagegen 14,2 Tage krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Das entspricht einer Differenz von 4,5 Arbeitsunfähigkeitstagen.
Insgesamt macht der Fehlzeiten-Report 2022 in mehrfacher Hinsicht deutlich, dass Unternehmen von ihrem CSR-Engagement profitieren. Firmen, die sozial und ökologisch verantwortlich handeln und sich um das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden kümmern, können Krisen besser bewältigen. Denn dies führt zu höherer Unternehmensverbundenheit, Arbeitszufriedenheit und niedrigeren Krankenständen der Beschäftigten – Faktoren, die angesichts des Fachkräftemangels zum Erfolg eines Unternehmens beitragen und Vorteile im Wettbewerb mit sich bringen.