„Die Krankheit entstigmatisieren“
Moderatorin Cathy Hummels litt selbst lange unter Depressionen und engagiert sich heute für betroffene Jugendliche. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und weist Trittbrettfahrer unter Promi-Kollegen in ihre Schranken.
Frau Hummels, mit ihrem„Cathy-Hummels-Programm“ sammeln Sie Spenden und organisieren Projekte, mit denen junge Menschen über Depression aufgeklärt werden. Warum?
Cathy Hummels: Ich hatte selbst mit 15 Jahren meine erste Depression, doch ich wusste nicht, was mit mir los war. Die Krankheit wurde total verkannt, und ich habe sehr gelitten. Wie durch ein Fingerschnipsen war ich ein anderer Mensch, unfassbar traurig und in mich gekehrt, obwohl ich immer sehr extrovertiert aufgetreten bin. Ich habe auch enorm an Gewicht verloren. Mit 21 bekam ich noch Panikattacken und Angstzustände. Mir war da alles egal und ich wollte zeitweise nicht mehr leben. Ich bin bei vielen Ärzten gewesen, und erst spät kam die Diagnose Depression. Die letzte schlimme Phase hatte ich mit 24. Ich weiß aber, dass ich weiter anfällig bin und habe gelernt, mich zu schützen. Ich möchte dazu beitragen, dass weniger junge Menschen einen langen Leidensweg zurücklegen.
Zur Person
Cathy Hummels ist Moderatorin, Influencerin und Buchautorin. Die 34-jährige Münchnerin engagiert sich zudem seit einigen Jahren bei der Deutschen Depressionshilfe. Sie ist verheiratet mit dem Fußballer Mats Hummels. Das Paar hat einen Sohn und lebt getrennt.
Was raten Sie jungen Betroffenen, die in einer ähnlichen Situation sind, die vielleicht auch nicht wissen, was mit ihnen los ist?
Hummels: Es ist wichtig, sich einzugestehen, dass es einem nicht gut geht und man bei sich eine Depression vermutet. Dafür sollte sich niemand schämen. Dann ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen und sich zu öffnen. Reden befreit ein Stück weit von den schlimmen Gedanken. Es kann auch hilfreich sein, sich im Freundeskreis eine Vertrauensperson zu suchen.
Wie hat sich die Coronapandemie auf Jugendliche ausgewirkt?
Hummels: Die Pandemie hat die Depression getriggert, denn für betroffene Menschen ist es schwierig, die ständigen Corona-Nachrichten zu verdauen. Bei einer Depression sollte versucht werden, der Seele etwas Gutes zu tun und wieder Freude am Leben zu wecken. Doch dem stand die Pandemie entgegen. Außerdem wurden die Jugendlichen isoliert, wodurch sie keine normale Jugend hatten.
Weniger junge Menschen sollen einen langen Leidensweg haben.
Was muss sich gesellschaftlich im Umgang mit Depressionen verändern?
Hummels: Wir brauchen Akzeptanz. Die Gesellschaft muss verstehen, dass eine Depression eine ernste Krankheit ist und nicht ein Modewort. Es geht darum, über das Leiden zu sprechen und es zu entstigmatisieren. Dabei hilft es, die Krankheit nach außen zu tragen und offen zu sagen: „Heute geht es mir nicht gut.“ Betroffene müssen lernen, ihr Schamgefühl beiseitezulegen. Je mehr Medien darüber berichten und je mehr Menschen wie ich darüber sprechen, desto mehr wird diese Krankheit verstanden. Auch die Politik muss mehr aufklären und dafür sorgen, dass Betroffene nicht ausgegrenzt werden. Die zu wenigen Therapieplätze sind ein echtes Manko. Es muss mehr Geld in die Behandlung und Erforschung seelischer Erkrankungen fließen.
Wie wichtig ist es, dass sich Prominente zu dem Thema öffentlich äußern?
Hummels: Das ist sehr wichtig. Es sollten sich aber immer nur diejenigen zu Wort melden, die wirklich betroffen waren. Manchmal erscheint es in den sozialen Medien so, als wenn jeder eine Depression hatte. Und die Krankheit wird allzu oft ins Lächerliche oder Amüsante gezogen nach dem Motto „Heute bin ich depri und ich putze mir meine Zähne nicht“. Niemand sollte zu einem Trittbrettfahrer werden in der Hoffnung, mit seiner Geschichte ein bisschen PR zu kriegen. Wichtig ist es, sich zu engagieren und an dem Thema dranzubleiben. Dann haben die Menschen auch den größten Respekt. Nur für eine Schlagzeile auf den Zug aufzuspringen, geht gar nicht.