Krankenhäuser

Leiharbeit treibt Keil in Belegschaft

Der Einsatz von Leiharbeitskräften in Krankenhäusern sollte die Ausnahme bleiben, meint Prof. Dr. Andreas du Bois. Der Ärztliche Direktor der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte sieht negative Folgen für die Versorgungsqualität und das Betriebsklima.

Leiharbeit hat grundsätzlich ihre Berechtigung.

Mit den Arbeitskräften sollen Belastungsspitzen ausgeglichen und kurzfristige Personalausfälle kompensiert werden. Hat beispielsweise ein Autokonzern eine große Nachfrage, erhöht er mit Leiharbeitern für einige Wochen die Produktion. In einem normalen Krankenhaus kommt so etwas nicht vor – abgesehen von Epidemielagen, wie wir sie selten hatten und hoffentlich nicht bald wieder haben werden. Obwohl es keine Spitzenbelastungen gibt, die aufzufangen sind, hat sich im Krankenhaus die Leiharbeit als fester Baustein in der Versorgung etabliert. Sie entlastet dabei nicht die Krankenhäuser, sondern verstärkt den Fachkräftemangel. Auch bei uns an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Wir bilden an unserer Pflegeschule aus, haben dort gerade die Kapazitäten noch einmal erhöht. Wir bieten zum Tarifgehalt Aufschläge für Sonderdienste, für das Einspringen bei Personalnot, für die Anleitung junger Kolleginnen und Kollegen. Wir bieten das Jobrad, ein günstigeres Deutschlandticket, Umzugshilfen und vieles mehr. Aber wir finden kaum neue Pflegekräfte, weil der Markt leer ist.

Die Ausnahme zur Regel gemacht.

Was tun, wenn die kritische Infrastruktur eines Krankenhauses durch Personalmangel gefährdet ist? Dann müssen wir Leiharbeit einbinden, um beispielsweise Operationssaal und Intensivstation rund um die Uhr betreiben zu können. Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts können neun von zehn Krankenhäusern die Patientenversorgung ohne Leiharbeitskräfte nicht oder nur mit großen Einschränkungen sicherstellen. Aus der einstigen Ausnahme ist längst die Regel geworden. Das hat erhebliche und nachhaltige Folgen.

Leiharbeit darf kein stetig wachsender Baustein unserer Krankenhaus-Struktur und -Kultur werden.

Für nicht festangestellte und tarifvertraglich bezahlte Mitarbeitende entstehen Mehrkosten, die nicht erstattungsfähig sind und ergo nicht gegenfinanziert werden. Wir bringen jährlich einen niedrigen siebenstelligen Betrag zusätzlich auf, um die Löcher zu stopfen. Das setzt uns auch deshalb unter Druck, weil wir als freigemeinnütziger Träger, anders als andere, alles erst einnehmen müssen, was wir dann ausgeben. Zudem fließt das Geld, das die Leiharbeitsfirmen mit ihrem Geschäft verdienen, als deren Rendite aus den Einnahmen der Solidargemeinschaft, die unser Gesundheits­system finanziert. Das ist eine ungute Entwicklung, da Geld dem System entzogen wird, ohne dass Mehrleistungen oder bessere Leistungen entstehen.

Noch dramatischer sind die Folgen für den Krankenhausbetrieb. Damit meine ich nicht nur die schlechtere Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten durch Leiharbeitskräfte in Pflege und ärztlichem Dienst. Aus dem Wechsel der Leiharbeitskräfte ergeben sich Probleme hinsichtlich der Einarbeitung, bezüglich des Umgangs mit unterschiedlicher Medizintechnik oder voneinander abweichende Prozesse und Abläufe, um nur einige Beispiele zu nennen.
 
Da sind die täglichen Anrufe auf Station mit Abwerbegesprächen, mit Angeboten, wie 800 Euro mehr Lohn, Dienstwagen, Tankgutscheinen – mit der Aussicht, künftig nicht mehr in Spätdiensten oder an Wochenenden arbeiten zu müssen. Nicht nur das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist damit ausgehebelt. Das Betriebsklima wird empfindlich gestört, wenn am Wochenende, an Feiertagen und nachts ausschließlich die Stammbelegschaft arbeitet, während die Leiharbeitskräfte dann immer frei haben. In die Belegschaften wird damit ein Keil getrieben. Und irgendwann wird es keine Versorgung mehr am Wochenende geben, wenn die letzte festangestellte Pflegekraft ausgetauscht wurde.

In Belastungsspitzen den laufenden Betrieb unterstützen.

Es geht mir nicht um generelle Verbote, Leiharbeit in Saisonbetrieben oder Betrieben mit hoher Volatilität der Belastung hat ihre Berechtigung. Im Krankenhaus und vor allem in Non-profit-Einrichtungen, wie den freigemeinnützigen Häusern, müssen wir zum Schutz der Infrastruktur über Einschränkungen und Regulierungen sprechen. Die Verpflichtung für Leiharbeitende, auch abends, nachts und am Wochenende zu arbeiten, wäre eine Option, eine bessere Vergütung mit Kostenerstattung für Stammmitarbeitende, die Wochenend- und Nachtarbeit machen, ein andere. Leiharbeit soll, wie vorgesehen, in Belastungsspitzen und bei Personalausfällen den laufenden Betrieb unterstützen, diesen aber nicht grundsichern. Leiharbeit darf kein stetig wachsender Baustein unserer Krankenhaus-Struktur und -Kultur werden. Um die Rolle der Leiharbeit verträglicher für die Mehrzahl der im Krankenhaus Arbeitenden und die Häuser selbst zu gestalten, benötigen wir kreative Lösungen und nachhaltige Reformen.

Andreas du Bois ist Ärztlicher Direktor der KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte gGmbH.
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